100
zugreifen. Nachdem einige Reformversuche gescheitert waren, blieb alles beim
alten. Indessen erreichten der Groll und die Erbitterung der Bedrückten eine
furchtbare Höhe; es bedurfte nur des äußeren Anlasses, um eine Empörung
herbeizuführen.
maEtu"9$= Gleichzeitig wurde auch bei den Gebildeten die Uberzeugung immer
stärker und allgemeiner, daß die bestehenden Verhältnisse unhaltbar seien. Die
Schriftsteller, welche sich damals mit den Waffen der Gelehrsamkeit und des
Witzes, des Hohns und der Verachtung gegen die Zustände des Staates, der
Kirche, der Gesellschaft wandten, fassen wir unter dem Namen der Auf-
^l°ttaire klärungsliteratur zusammen. Ihre Führer waren einerseits Vol-
Rousseau, t (i i r e, ein höchst geistvoller, witziger und vielseitiger, aber auch sehr frivoler
Schriftsteller, andrerseits Rousseau, der mit aller Kraft seines schwär-
menschen Gefühls nicht nur die Unsittlichkeit der damaligen Kultur verwarft
sondern jede Kultur für verderblich erklärte und dieRückkehrzurNatur
forderte.
Die Vernichtung des absoluten Staates in Frankreich.
§ 96. Der Ausbruch der Revolution. Um für die Finanznot des
Staates Abhilfe zu finden, entschloß sich Ludwig XVI. endlich, auf Anraten
seines Ministers Necker, eines protestantischen Bankiers aus Genf, die
i78v. General st ände zu berufen, eine Vertretung des Adels, der Geistlichkeit
und des sogenannten dritten Standes. Infolge der Schwäche und Ratlosigkeit
der Regierung gewannen bald die leidenschaftlich erregten, von dem Grafen
Mirabean und anderen Männern geleiteten Vertreter des dritten
n?lversamm- Standes die Führung. Sie erklärten sich als N a t i o n a l v e r s a m m -
lung. l u n g, erhoben also den Anspruch, eine Vertretung des ganzen Volkes zu
sein, und setzten es durch, daß der König sich ihrem Beschlüsse fügte.
Während nun die Versammlung über die Verfassung zu beraten begann,
die das neue Frankreich erhalten sollte, brach in Paris der offene Auf-
rühr aus. Auf die Nachricht, daß Necker vom Könige entlassen worden sei,
Bastillesturm erhoben sich die aufgeregten Volksmassen und erstürmten die B a st i 11 e, eine
Feste, die sich in Paris erhob und in der öfter willkürlich Verhaftete ein-
gekerkert worden waren. Die kleine Besatzung konnte sich nicht verteidigen
und ergab sich, wurde aber niedergemacht; die Bastille wurde zerstört. Der
König gab auch diesmal nach und berief Necker wieder. Der Tag des Bastille-
stnrmes aber wird heute noch in Frankreich als nationaler Festtag gefeiert.
Die Folge dieses Ereignisses war zunächst, daß viele Mitglieder des
hohen Adels, dabei mehrere königliche Prinzen, Frankreich verließen und sich
ins Ausland, besonders an die Höfe der deutschen Bischöfe am Rhein begaben.
So begann die Emigration. Zugleich aber erhoben sich jetzt in vielen