Full text: Geschichte des deutschen Volkes

190 Die Schweizer. § 312—313. 
Felsenplatte, und rote er in der hohlen Gasse bei Küßnacht den Landvogt mit 
seinem sicheren Pfeil erlegte. Die ehrwürdige Sage erzählt so, und unser 
großer Dichter hat es im unsterblichen Werke besungen. Aber der Anfang 
eines edlen und tüchtigen Volkes bedarf nicht der schmückenden Verschönerung. 
Es genügt zu wissen, daß die Männer aus den drei Orten vielmehr schon 
1291 einen Bund unter sich schlössen, der als Beginn der Schweizer Eid- 
genossenschaft zu betrachten ist. Es war ursprünglich nur eine Verbrüde- 
rung zn^ Schutz^ und Schirm, wie sie etwa um dieselbe Zeit auch die Städte 
am Rhein und in Schwaben (§ 301) unter sich eingingen. Durch Heinrich VII., 
den Lützelnburger, dann durch Ludwig von Baiern, die beide gegen das östrei- 
chische Haus standen, wurden diese Eidgenossen wirklich der persönlichen Ab- 
hängigkeit gegen dasselbe enthoben. 
§ 313» Dafür schlössen sie sich getreulich an Ludwig an, und so kam es, 
daß der finstere Leopold, Friedricks des Schönen Bruder (§ 219), mit einem 
Ritterheere gegen sie zog. Bei dem Paß von Morgarten, 1315, bestanden 
die Schweizer Bauern zu Fuß mit ihren Hellebarden, Morgensternen und langen 
Schlachtschwertern wie mit herabgewälzten und geschleuderten großen Steinen 
die geharnischten Ritter, die sich mit schwerem Verluste zurückziehen mußten; 
und Ludwig bestätigte für immer den Bund der Eidgenossen, die von nun an 
erst als vollständig frei gelten können. Bald trat demselben Luzern 1332 
zn, das in noch engeren Abhängigkeitsverhältnissen zu den Habsburgern ge- 
standen; 1351 die freie Reichsstadt Zürich, 1352 Glarns, das bisher meist 
dem Kloster Seckingen nnterthänig gewesen; dann Zug; endlich 1353 folgte 
die Reichsstadt Bern, der im Jahre 1339 in der Scklacht bei Laupen die 
Eidgenossen gegen den benachbarten Adel Rettung gebracht hatten. Diese acht 
alten Orte bildeten die ursprüngliche Ädgenossenschast. — Als, kurz vor dem 
großen Städtekriege (§ 303), der tapfere und ritterliche Leopold III. von 
Oestreich noch einmal versuchte, die Schweizer in das alte Dienstverhältniß 
zurück zu zwingen, kam es am 9. Juli 1386 zur Schlacht von Sempach. 
Die Blüte des östreichischen und schwäbischen Adels folgte der Habsburgischen 
Fahne. Die Ritter waren vom Roß gestiegen und hatten einen schweren 
Schlachthaufen mit ihren vorgestreckten Lanzen gebildet; gegenüber auf der Höhe 
am Saum des Waldes standen die Eidgenossen; ehe sie zum Angriff stürmten, 
sanken sie auf die Knie zum Gebet; dann liefen sie her; aber lange schwankten 
sie an der eisernen Mauer auf und ab, ohne einbrechen zu können. Da ersah 
den Moment, so erzählt ein altes Lied, ein Mann von Unterwalden, Strut¬ 
hs n von Winkelried, und rief: Treue, liebe Eidgenossen, sorgt für mein 
Weib und Kind, so will ich euch eine Gasse machen; und damit umfaßte er, 
so weit er greifen konnte, die Lanzenspitzen, drückte sie in seine gewaltige Brust 
und sank mit ihnen zu Boden*): über ihn hinweg, „wie Wirbel wühlend, 
Stoß ans Stoß, Schweizer Sturmgewalt." — Da sanken die Ritter, die in 
ihrer schweren Rüstung sich nicht retten konnten, unter dem Schwert und Kol- 
ben des Bauern, da sank Leopold selber; und Trauer war fast auf allen 
*) Hie mit do tett er fassen 
ein arm voll spiess behend: 
den sinen macht er ein gassen 
sin leben hat ein end 
he! — er hat eins löwen mut; 
sin mannlich dapfer sterben 
war den vier waltstetten gut 
Halbsuters Lied.
	        
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