194 Frisen und Dithmarsen. § 317—319.
Geschichte und sind gewiß nicht minder anziehend und edler, als die er mit dem
Schwert in der Hand gegen seines Gleichen führt. In einen solchen Kampf
war seit uralten Zeiten das Bolk der Frisen gestellt. Karl der Große hatte
ihnen deshalb jede ferne Heerfahrt erlassen (§ 73). So hatte sich auch bei
ihnen das Lehnsverhältniß nicht ausgebildet. Die frisischen Bauern lebten in
altgermanischer Gemeinfreiheit, wenige edle Geschlechter unter ihnen, ohne der
Freiheit gefährlich zu sein. Es waltete jeder Gau, und in ihm jede Gemeinde
der eigenen Angelegenheiten; sie nahm ihr Recht von dem heimischen Richter,
dem Asega, nach heimischen Gesetzen, die man Willküren nannte.*) In
den Landen der Frisen, die zum Reich gehörten, hatten Bischöfe die Grafen-
rechte (§ 82); im Westen der Erzbischos von Utrecht, weiter östlich die
Bischöfe von Münster und Bremen. Diese konnten nicht daran denken, das
Grafenamt, wie es überall sonst im Reiche geschah, in eine landesherrliche Ge-
walt umzugestalten. Dennoch sahen sich auch die Frisen von benachbarten
Fürsten bald vielfach bedrängt, und so schlössen sie, wie die Schweizer in ihren
Bergen, eine Eidgenossenschast, den Bund der sieben frisischen See-
lande, um ihre Freiheit zu wahren. Es waren die folgenden: Westfris-
land, der Westergan, der Ostergau, Drente, Groningen, Emden
(Ostfrisland) und Nüstringen.
§ 318. Weiter östlich reihten sich an sie mit ähnlich bewahrter Freiheit
und Eigentümlichkeit die Stedinger an der unteren Weser, und die Dith-
marsen an der Westküste Holsteins, von der Elbe bis zur Eider — Elftere
nicht reine Frisen, sondern sächsisch untermischt, letztere Sachsen, die ebenfalls
die Gemeinfreiheit bewahrt hatten; noch nördlicher über die Eider hinaus
wohnten und wohnen noch heute Nordfrisen, mit eigentümlicher frisischer
Sprache, die noch jetzt dort dauert. Letztere bestanden zuerst einen Kamps gegen
König Abel von Dänemark, der sie unter sein Joch zwingen wollte. Als
derselbe gegen sie zog, schwuren sie: der Dänenkönig solle sterben oder jeder
Frise in seiner edlen Freiheit untergehen; und 1252 schlugen sie sein Heer an
der Eider, und ein Mann von der Insel Pelworm spaltete dem Tyrannen, der
durch Brudermord auf den Thron gekommen, mit der Axt den Kopf. Wenige
Jahre nachher erlag gegen die Westsrisen am anderen Ende des frisischen
Meeressaumes König Wilhelm von Holland (§ 204), der seine Grafen¬
rechte über sie zur Landeshoheit ausdehnen wollte, und, wie die Habsburger im
Schwyzerlande, Zwingburgen baute. Bei einem Winterfeldzuge — denn nur
durch das Wintereis oder die Sommerdürre wird das Frisenland zugänglich;
sobald Thauwetter oder Regengüsse einfallen, ist der schwere, zähe Marschboden
für Mann, Roß und Wagen ein unüberwindliches Hemmniß — bei einem
Winterfeldzuge brach er mit Roß und Rüstung durch das Eis und ward wie
dort König Abel von den Frisen erschlagen. Die edlen Nordfrisen unterlagen
freilich schon im 14. Jahrhundert der Dänenherrschaft, nachdem das Meer 1354
in der großen „Manntränke" die Deiche durchbrochen und das Land entvölkert
hatte; sie beugte das gewaltige Element, nicht der Landesfeind. Auch bei den
Westsrisen brach eine solche Ueberschwemmung den Freiheitstrotz; sie unter-
warfen sich den Grafen von Holland, doch blieben sie freie („wohlgeborene")
Männer.
§ 319. Lange schon vorher, im heldenmütigen aber traurigen Kampfe,
waren die Stedinger erlegen. Sie gehörten unter den Grafenbann des
*) Der als Gerichtsstätte vielgenannte Upstalsboom, südlich von Aurich, galt
wohl niemals für sämmtliche Frisen, sondern nur für das östliche Frisland.
(