§§ 135.136. Ruprecht. Siegmunö. hus. 115
Kirche durchzuführen hat das Konzil nicht vermocht. Im Gegenteil,
es ließ sich dazu hinreißen, einen frommen Mann zum Tode zu verur-
teilen, der mehr als irgend ein anderer die Fehler der Kirche und
die Mittel zu deren Abhilfe erkannt hatte, den Böhmen Johann
Hus. Dieser war in Prag Beichtvater der frommen Gemahlin
Wenzels gewesen und war, angeregt durch die Schriften des Eng-
länders Wiclif, mit Schriften und Predigten gegen den Ablaßhandel
wie gegen die Sittenlosigkeit der Geistlichen aufgetreten. Der Papst
hatte ihn entsetzt und in den Bann gethan. Zuletzt war er
nach Constanz entboten worden, wo seine Sache, wie so vieles andere,
entschieden werden sollte. Ausgestattet mit einem Geleitsbrief Sieg-
munds, der ihm sichere Hin- und Rückreise verbürgte, war Hus vor
dem Konzil erschienen, war aber bald auf Befehl des Papstes ver-
haftet und in ein ekelhaftes, ungesundes Gefängnis geworfen worden.
Siegmund überließ nach anfänglichem Widerstreben den Ketzer dem
Urteilsspruch des Konzils. Hus berief sich auf fein Gewissen und
auf die heilige Schrift und weigerte sich zu widerrufen. Da ver-
dämmte ihn das Konzil. Unter den fürchterlichsten Verwünschungen
wurden ihm die Priesterweihen genommen, sein Leib dem Tode und
seine Seele dem Teufel übergeben. „Und ich", sprach Hus, „befehle
sie in die Hände meines Herrn Jesu Christi!" Betend schritt er durch
eine unzählige Menge zum Scheiterhaufen. Als die Glut um ihn
emporstieg, rief er laut: „Vater, in deine Hände befehle ich meinen
Geist!" Aber als er es zum dritten Male rief, schlug ihm die Lohe
ins Angesicht; man sah seine Lippen noch, wie im stillen Gebet, sich
bewegen; dann senkte er das Haupt und starb. Seine Asche ward
in den Rhein gestreut.
§ 136. Die Husiten. Die Böhmen erhoben sich in wildem
Zorn über die Hinrichtung ihres Propheten, und als König Wenzel
1419 starb, wollten sie seinen Bruder und Erben, Kaiser Sieg-
mund, weil er Hus sein Wort gebrochen, nicht als ihren König
haben, sondern begannen unter ihrem Führer, dem blinden Ziska,
und nach dessen Tode unter den beiden Prokopen einen wilden
Religionskrieg gegen Kaiser, Reich und Kirche, von denen sie mit
Gewalt zum Gehorsam zurückgeführt werden sollten. Die Husiten,
wie sie genannt wurden, verlangten vor allem das Abendmahl unter
beiderlei Gestalt, d. i. Brot und Wein, und führten deshalb das Bild
des Kelches als Zeichen ihrer Forderungen und ihres Bekenntnisses
in ihren Fahnen. Vergebens sammelte Siegmund seine Heere gegen
sie. Vor dem Rollen ihrer Wagen, die sie nach alttestamentlicher
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