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IV. Die Völkerwanderung. Untergang des Weströmischen Reiches.
man es mit Geld erkaufen müsse; aber er hatte am Hofe des Honorius
in Ravenna viele Feinde, die jeden Gedanken an einen Vertrag mit den
„Barbaren" verwarfen. Auf ihr Betreiben wurde er zuletzt ermordet (408).
Sobald Alarich hiervon Nachricht erhalten hatte, führte er sein Heer wieder
nach Italien und belagerte Rom; doch ließ er sich gegen ein gewaltiges Löse-
geld und das Versprechen der Römer, einen Vertrag mit dem Kaiser zu ver¬
mitteln, zum Abzug bewegen. Da aber Honorius auf den Vertragsvorschlag
nicht einging, belagerte Alarich Rom zum zweitenmal und eroberte es. 410
nahm er die Stadt zum drittenmal und plünderte sie mehrere Tage lang. Von
hier zog er nach Unteritalien, um Afrika, die Kornkammer Roms, zu besetzen.
Bevor er seine Absicht ausführen konnte, starb er und wurde — der
Sage nach — im Flußbette des Busento begraben. Sein Schwager
Ataulf führte die Goten nach Südgallien, wo sie feste Wohnsitze erhielten;
ihre Hauptstadt war Toulouse. Wallia, sein Nachfolger (415—419),
begann die Eroberung von Spanien. So entstand das Westgotenreich
in Südgallien und Spanien.
§ 21. Die übrigen Germanenreiche. Noch in der ersten Hälfte
des 5. Jahrhunderts gingen die Provinzen Hispania, Afrika, der
größte Teil von Gallia und Britannia an germanische Völker verloren.
a) Die Vandalen, aus dem Lande zwischen Oder und Weichsel
kommend, waren eben an den Rhein gelangt, als Stilicho die Legionen
abberufen hatte, und konnten ihn daher ungehindert überschreiten. Dann
waren sie zugleich mit Schwärmen von Sneven und Alanen in Spanien
eingedrungen. Als dann die Goten die Halbinsel besetzten, führte Geiserich
die Vandalen nach Afrika, eroberte Karthago und gründete das Van-
dalenreich. Er beherrschte die See uud hat im Jahre 455 Rom furcht¬
bar geplündert.
b) Die Burguuden, in der Norddeutschen Tiefebene zwischen Oder
und Weichsel heimisch, waren von hier aus durch Mitteldeutschland ge-
wandert und hatten sich auf dem linken Rheinufer in und um Worms
angesiedelt.
c) Die Alamannen breiteten sich in Süddeutschland von den Vogesen
bis zum Lech sowie auf der Schweizer Hochebene aus.
ä) Die Franken rückten vom Niederrhein her im heutigen
Belgien ein und näherten sich allmählich der Nordostgrenze des heutigen
Frankreich.
e) Die Angeln und Sachsen. Da die Briten nach dem Abzug
der römischen Legionen zum Schutz Italiens sich den Plünderungszügen
der Pikten und Skoten (im heutigen Schottland) preisgegeben sahen,
baten sie die Angeln (in Schleswig-Holstein) und die Sachsen, die als
Seeräuber ihre Küsten heimzusuchen pflegten, um Hilfe. Diese leisteten
dem Rufe Folge und schlugen die Pikten und Skoten zurück. Nach dem
Siege wurden sie aus Verbündeten zu Herren. Unterstützt durch Nachzügler