§ 21 Erste Periode. Begründung der staatlichen Verkältnisse. 41
b) Das Zwölftafelgesetz, 450. Nach Beseitigung dieser Gefahr
wurden neue Forderungen an die Patrizier gestellt. Sie hatten allein die
Kenntnis der mündlich überlieferten Rechtsbestimmungen uud verfuhren in
ihrer Anwendung oft willkürlich. Deshalb verlangten die Plebejer ge-
schriebene Gesetze (vgl. Athen § 6, 2. 3!). Nach langer Weigerung willigten
die Patrizier ein, eine Gesandtschaft nach Griechenland zu schicken, um die
dortigen Gesetze kennen zu lernen. Nach der Rückkehr der Gesandten wurden
zur Ausarbeitung der Gesetze zehn Männer gewählt, die bis zur Aus-
führuug ihres Auftrages zugleich die Regierung des Staates zu führen
hatten. Die Gesetze, die sie auf zwölf eherne Tafeln eingraben ließen,
wurden die Grundlagen des römischen Rechtes. 450.
Die Zehnmänner (Dece'mvirn) verlängerten eigenmächtig die ihnen übertragene
Gewalt und regierten tyrannisch trotz der zunehmenden Gärung im Volke. Schließlich
wagte, wie die Sage berichtet, einer der Gewalthaber, Appins Claudius, einen frechen
Angriff auf die Freiheit der Virginia, der Tochter eines plebejischen Hauptmannes.
Ihr eigener Vater tötete sie, um sie der Schmach zu entziehen. Da brach der Sturm im
Volke los; die Zehnmänner mußten abdanken, Appius Claudius entleibte sich selbst im Kerker.
4. Die Gallier in Rom, um 390. In dieser Zeit der inneren Streitig-
feiten waren die Römer fortwährend in äußere Kämpfe verwickelt, in
denen sie siegreich ihr Gebiet erweiterten. Die gefährlichsten Feinde waren
die wilden Gallier. Unter ihrem Brennns (d. i. Anführer) besiegten
sie aus einem Plündernngszuge die Etrusker und brachten einem römischen
Heere an dem Flnßchen Allia eine furchtbare Niederlage bei. Sie be-Um390.
setzten das von seinen Bewohnern verlassene Rom und steckten es in Brand.
Nur das Kapitol wurde durch die Tapferkeit der patrizischeu Besatzung
unter Manlins (und nach der Sage durch die Wachsamkeit der heiligen
Gänse) gerettet. Nach fiebenmonatiger Belagerung zogen die Gallier gegen
Entrichtung einer Abgabe in Gold ab.
Als das Gold abgewogen wurde, fügt die Sage hinzu, legte der gallische König mit
den Worten: „Wehe den Besiegten!" noch sein Schwert zu den Gewichten. Da erschien
im rechten Augenblick der Diktator Camillus mit einem Heere und vertrieb die Gallier.
Man nannte ihn den zweiten Gründer Roms, weil er es verhinderte, daß die Römer nach
dem von ihnen eroberten Veji auswanderten. Rom wurde unregelmäßig wieder aufgebaut.
Die mehrfach wiederholten Einfälle der Gallier sowie die kriegerischen
Züge der Latinm benachbarten Stämme gaben den Römern Gelegenheit
zu ruhmvollen Kämpfen. Dadurch wurden die italischen Völkerschaften
mehr in Verbindung miteinander gebracht, Roms Ansehen überallhin ver-
breitet und der sich vermehrenden bäuerlichen Bevölkerung Land erworben.
5. Gleichberechtigung der Plebejer mit den Patriziern. In den
schweren Zeiten kriegerischer Not hatte der Staat die volle Kraft aller
seiner Bürger in Anspruch nehmen müssen. Kein Wunder, daß unter
diesen Umständen fähige Plebejer zu den höchsten Staatsämtern gelangten,
zumal wenn sie sich vor dem Feinde ausgezeichnet hatten. 367 wurde
nun die wichtige gesetzliche Bestimmung getroffen, daß einer der beiden 367.
Konsuln stets ein Plebejer sein sollte. Im folgenden Jahre trat die
Neuordnung in Kraft.