26
II. Die Zeit des Frankenreiches.
§47
Zweite Periode. Die Zeit des Frankenreiches.
§ 47. Das Frankenreich unter den Hausmeiern und König Pippin.
1. Die Hansmeier. Im Reiche der Merowinger waren die Haus-
meier die höchsten Beamten. Sie hatten ursprünglich die Aufsicht über
das königliche Haus- und Hoswesen, dann auch die Vertretung des Königs
im Frieden und im Kriege und die Vormundschaft über minderjährige
Könige. Zuletzt wurde dieses Amt in der kraftvollen niederländischen
Familie der Pippiniden erblich. „Herzog und Fürst der Franken"
nannte sich der Hausmeier Pippin, während der König nur noch dem
Namen nach regierte. Der Hausmeier Karl gebot durch die siegreiche
733. Schlacht zwischen Tours und Poitiers 732 dem Vordringen der Araber
Halt. Er erhielt deshalb den Beinamen Martell (= Hammer).
^Die Araber. Mohammed aus Mekka lernte als Jüngling auf Handelsreisen
das Judentum und das Christentum oberflächlich kennen. Als Kaufmann in Mekka
fand er Muße zu religiösen Betrachtungen, denen er sich oft in der Einsamkeit der Wüste
hingab. In seinem vierzigsten Jahre glaubte er, durch Traumgesichte zum Propheten
berufen zu sein, und machte es sich zur Aufgabe, den heidnischen Arabern den einen
wahren Gott zu predigen. — „Es ist kein Gott außer Gott (Allah), und Mohammed
622. ist sein Prophet." — Erfolg aber hatte er erst nach seiner Flucht nach Medina, 622.
Er wurde das geistliche und weltliche Oberhaupt von ganz Arabien. Seine Aussprüche,
nach seinem Tode im Koran (= Verkündigung) gesammelt, wurden das Religions-
und Gesetzbuch der Mohammedaner. Seine Nachfolger, die Kalifen, verbreiteten seine
Lehre, den Islam (= „Ergebung" in Gottes Willen), und ihre Herrschaft bis an den
Indus und den Atlantischen Ozean. In Asien ward Bagdad der Hauptsitz der
Kalifenmacht, die unter Harun al Raschid um 800 ihren höchsten Glanz erreichte
(Tausendundeine Nacht), während sich in Spanien nach der Vernichtung des Westgoten-
reiches ein unabhängiges Kalifat mit der Hauptstadt Cördova behauptete. Von Spanien
aus drangen die Araber seit 720 nach Norden vor, um auch die übrigen europäischen
Länder dem Islam zu unterwerfen.
2. Ursprung des Lehnswesens. Um auch in den Kämpfen nach
Tours und Poitiers den Arabern überlegen zu bleiben, schuf Karl ein
Reiterheer. Da der Waffendienst zu Pferde (in schwerer Rüstung)
erheblich kostspieliger war als der zu Fuß, so stattete der kraftvoll durch-
greifende Hausmeier die Berittenen mit Land aus dem umfangreichen
Grundbesitz der Kirche aus; denn das Krongut war erschöpft. Dasselbe
tat sein Sohn und Nachfolger Pippin. Da aber nach romanischer Rechts-
anschanung Kirchengut unveräußerlich war, so wurde das Land zum Rieß-
brauch (vgl. § 46, 1!), nicht als Eigentum verliehen; gleichzeitig aber über-
nahm der Empfänger des Gutes die bei den merowingifchen Landschenkungen
übliche Treuverpflichtung dem König gegenüber und leistete den Vasallen-
eid*). Das ist der Ursprung des Lehnswesens, das sich über das
ganze Abendland verbreitete. Ein solches Gut, das man als Lehn
*) Vasall heißt Knecht; dieses aus dem Keltischen stammende Wort ist in dem
französischen valet erhalten.