Reich und Kirche unter Karl V.
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6. Die Reformation in der Schweiz. Fast gleichzeitig mit Luther
war Zwiugli, Prediger in Zürich, gegen den Ablaß aufgetreten. Nicht
infolge schwerer seelischer Erschütterungen, wie Luther, sondern durch ruhige
Verstandesüberlegung gewann er die Überzeugung, daß die Kirche einer Reform
bedürfe. Er ging in seinem Widerspruche gegen die alte Kirche noch weiter
als Luther. In den meisten Kantonen wurde seine „reformierte" Lehre
angenommen; nur die Urkautoue sSchwyz, Uri, Untertoolben und Luzeru)
blieben katholisch. Es kam zum offenen Kriege zwischen beiben Parteien,
unb Zwiugli fiel in ber für bie Katholiken siegreichen Schlacht bei Kappel
(Kurte Nr. 9), 1531. Doch blieb seine Lehre bestehen unb würbe weiter 1531.
ausgebilbet von bem strengen Kirchenstifter Calvin in Genf, ber seine
Gedanken in dem Werke „Unterricht im Christentum" niederlegte.
Calvin herrschte durch das von ihm geschaffene Konsistorium, eine aus
Geistlichen und Laien gebildete Behörde, die scharf die Bekenntnistreue
und den Lebenswandel der Bürger überwachte. Ein streng kirchlicher,
aller Lebensfreude abgeneigter Geist, der Abtrünnige dem weltlichen Gericht
zur Bestrafung überwies, durchdrang den Genfer Stadtstaat und schuf
die zum Kampf gegen die alte Kirche entschlossenen Glaubensstreiter. —
Der Calvinismus fand viele Anhänger in den benachbarten deutschen und
französischen Gegenden, ferner in den Niederlanden und Großbritannien.
7. Trutz und Schutz. Die Spannung zwischen den Bekennern der
alten und denen der neuen Lehre wurde immer schärfer. 1529 beschäftigte 1529.
sich ein zweiter Reichstag zu Speyer mit der großen Frage. Der
Kaiser fehlte wie auf dem ersten; aber der Eindruck seiner auswärtigen
Erfolge war fo groß, daß die katholische Partei das Übergewicht erhielt.
Das Wormser Edikt wurde von neuem eingeschärft. Dagegen erhoben die
Evangelischen Protest, was ihnen den Namen Protestanten eintrug, und
dachten auf Mittel gemeinsamen Schutzes. Jedoch mißlang der Plan
Philipps von Hessen, durch das Religionsgespräch zu Marburg eine
Vereinigung mit den „Reformierten" herbeizuführen, da weder der Witten-
berger noch ber Züricher Reformator in ber Abenbmahlslehre seine Ansicht
aufgeben wollte*).
Im folgeubeu Jahre berief ber Kaiser, ber bei seiner Krönung bem
Papste versprochen hatte, „bie Krankheit ber neuen Meinungen" auszu¬
rotten, einen Reichstag nach Augsburg, bem Melanchthon auf Befehl
bes Kaisers bas von ihm abgefaßte Augsburgische Bekenntnis vor- 1530.
legte. In bieser Schrift befleißigte sich „Magister Philippus" großer Milbe
bes Ausdrucks gegenüber dem Katholizismus, nahm aber scharf gegen
Zwinglianer und Wiedertäufer Stellung. Der Kaiser ließ jedoch durch
Dr. Eck und andere katholische Theologen eine Widerlegungsschrift aus-
arbeiten, worauf Melanchthon eine Verteidigungsschrift verfaßte. Sie
half nichts; der Kaiser bestand auf dem Wormser Edikt und forderte
*) In Preußen erfolgte 1817 die Vereinigung der lutherischen und der reformierten
Konfession zur unierten Kirche. (Näheres Teil IV, § 114,2.)