Full text: Das Mittelalter (Teil 2)

§ 70. Rückblick. 
81 
Staatswesen den Todesstoß gab. Den neuen Staaten, welche auf den 
Ruinen erwuchsen, gab das Lehnswesen die Form. Die Verbindung 
des germanischen Staatswesens mit der christlichen Kirche trat zu- 
erst hervor in dem großen fränkischen Reiche, welches unter Karl 
dem Großen die meisten kulturfähigen Völkerschaften umfaßte, dann 
aber sich in ein ostfränkisches (deutsches) und ein westfränkisches (ftanzö- 
sisches) Reich teilte. Nachdem Heinrich I. das deutsche Reich in 
seinen Grundformen gefestigt hatte, erneuerte Otto I. die Verbindung 
mit Rom und bestimmte dadurch die ganze folgende EntWickelung. 
Rasch stieg das Reich auf den Gipfel seiner Macht. Aber die ita- 
lienischen Sorgen hinderten die Kaiser vielfach, den deutschen Auge- 
legenheiten ihre volle Kraft zuzuwenden; die deutschen Fürsten pflegten 
ihre Sonderinteressen aus Kosten der Reichsgewalt; die Germanisie- 
rung des Ostens geriet ins Stocken; Italien wurde das Grab der 
Deutschen. 
Schon unter Heinrich 1Y. begann der unausbleibliche Kampf 
zwischen Kaisertum und Papsttum, der mit dem Untergange 
der Hohenstaufen und der Zerrüttung des Reiches endigte. Zugleich 
trat die christliche Welt in den Kreuzzügen in den Kampf gegen 
den Islam, welcher, in Arabien entstanden, in allen drei Erdteilen 
Boden gefaßt und eine eigenartige Kultur mit sich geführt hatte. 
Die Zeit der Kreuzzüge ist die der höchsten Kulturentfaltimg des 
Mittelalters. In den beiden letzten Jahrhunderten zeigt sich auf den 
meisten Gebieten ein Sinken der mittelalterlichen Welt. Nur die 
Städte erfreuten sich wenigstens in materieller Beziehung eines gedeih- 
lichen Wachstums; sie hatten sich, seitdem sie mehr oder weniger nn- 
abhängig geworden waren, emporgearbeitet zu Bildung, Wohlstand 
und Macht und konnten nicht nur gegen die Ritter, die seit dem 
13. Jahrhundert entartet waren und ihre frühere Bedeutung verloren 
hotten, sich erfolgreich verteidigen, sondern auch gegen die Reichs¬ 
fürsten ihren Einfluß geltend machen. 
Das deutsche Reich hatte sich in Einzelstaaten aufgelöst, deren 
Führung der größte unter ihnen, dos leider nur halb deutsche Öfter- 
reich, übernahm, während im Norden der Keim gelegt wurde zu einem 
anderen Großstoate, der zur Führung Deutschlands in späteren Jahr¬ 
hunderten berufen war. 
Wir teilen das Mittelalter in fünf Perioden: 
I. Von 375 bis 568. Die Zeit der Völkerwanderung und 
Staatenbildung. 
II. Bis auf Heinrich I., 919. Die Zeit des Frankenreiches. 
Christensen, Grundriß der Geschichte. II. B. 3. Aufl. g
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.