fullscreen: Deutsches Lesebuch für die Obersekunda der höheren Lehranstalten

6. Die macedonische Weltmacht. 
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Richtung seines Vaters eintrat und sie fortsetzte. Wir lernen ihn und sein 
Heer gleich aus seinem ersten Feldzuge gegen die nördlichen Nachbarn kennen, 
den er mit ebenso viel Energie wie Philipp und noch nrit besserem Erfolg 
ausführte. Das Charakteristische dieser Zuge liegt darin, daß die nicht 
ohne das Vorbild der Griechen begründete und eingeübte macedonische Phalanx 
allenthalben das Übergewicht elltschied und behauptete. Nachdem die griechisch- 
macedonische Kriegskunst Meisterin geworden in dem Gebiete der barbarischen 
und halbbarbarischen Nationen, von denen Macédonien umgeben war, war 
es gleichsam die Bedingung des ferneren Völkerlebens, daß die persische Macht 
in ihrer Ausdehnung llicht bestehen bleibe. Der Gedanke, die griechischen 
Götter an den Persern zu rächen, war von Perikles gefaßt und von Agesilaus 
in lebendigste Anregung gebracht worden. Dieser Enthusiasmus war bei 
weiten: nicht ein allgemeiner der gesamten Nation; aber er war doch auch 
niemals erstorben und vertilgt. Die Gegner derer, die mit Persien in Ver¬ 
bindung standen, hielten ihn fest, nub an die Spitze derselben traten nun die 
Könige von Macédonien. Vergessen darf man nicht, daß die Hoheit, die 
Philipp und Alexander in Griechenland ausübten, an eine religiöse Verehrung 
anknüpfte, welche die Griechen zusammenhielt; sie waren als die Beschützer 
des delphischen Orakels, welches alle anderen Dienste der Griechen in sich 
schloß und in ein Ganzes vereinigte, in Hellas eingetreten. Und niemals 
wäre ein Fürst fähiger gewesen, diese Gedanken in sich aufzunehmen, als 
Alexander. Sie entsprachen dem Selbstgefühl und der Tradition seiner 
Familie. Sei:: Stolz war, daß er nicht allein von Herakles abstannute, 
der infolge seiner Handlungen unter die Götter aufgenommen war, sondern 
auch von den Äaciden, deren Ruhn:, in den homerischen Gedichten begründet, 
jedermann vor Augen stand. Er glaubte berufen zu sein, die Heroen des 
trojanischen Krieges fortzusetzen und de:: Kampf anszufechten, der zwischen 
Europa und Asien auch nach der Auffassung des ältesten Historikers von jeher 
vorgewaltet hat. 
In Alexander schlug zugleich eine poetische und religiöse Ader, die aus 
den: Heroeudienste und der durch die Poeten national gewordenen Sage 
entsprang. Für ihn waren die homerischen Gedichte gleichsam eine Urkunde, 
von der er sein Recht herleitete. In Alexander verband sich der Schwung 
der Phantasie mit den hellenische:: Ideen überhaupt. Juden: er die Griechen 
zwang, ihm Folge zu leisten, hatte er doch auch den Gedanken, ihren Krieg 
mit den Persern aufzunehmen und durchzufechten, dadurch aber ihrer Kultur 
weitere Bahn zu machen. Alexander ist einer der wenigen Menschen, in 
denen sich die Biographie mit der Weltgeschichte durchdringt. Seine Antriebe 
gelten der Ausführung eines vor Jahrhunderten begonnenen Kampfes, auf 
welchem dann der Fortgang der universalen Entwicklung der Menschheit beruht. 
Von den Kriegszügen gegen die Donauvölker, die er auch deshalb unter¬ 
nah:::, weil er sonst die Macht seines Vaters über die Griechen nicht hätte 
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