I. Das Mittelalter.
L Das Zeitalter der Karotinger.
Karl der Große.
Als König Pipin sich dem Ende seines Lebens nahe fühlte, teilte
er sein Reich unter seine beiden Söhne Karl und Karlmann wie ein
persönliches Erbgut. Karlmann starb bald nach dem Vater. Dadurch
siel das ganze Reich Karl zu.
Pipin war von kleiner, gedrungener Gestalt gewesen, dagegen maß
Karl sieben Fuß und war dabei von breitem und kräftigem Körperbau.
Die Schultern waren etwas hoch, der Nacken kurz: sonst störte nichts
das volle Ebenmaß seiner gewaltigen Glieder. Große, lebendige Augen,
gewöhnlich von freundlichem Ausdruck, eine klangvolle Stimme und die
Heiterkeit seines Wesens milderten den gewaltigen Eindruck seiner äußern
Erscheinung. Gelegentlich war er nicht ohne einen Anflug launigen
Humors. Sein Auftreten war würdevoll, aber nicht schreckenerregend.
Wenn es nötig war, konnte er auch ernst und streng werden. Er war
unermüdlich in körperlicher und geistiger Thätigkeit, von eiserner Willens-
kraft und mit einem wunderbaren Scharfblick begabt, der ihn im ent-
scheidenden Augenblicke das Rechte treffen ließ. Obschon er in Massen
erzogen war und in den Waffen ergraute, war er doch ein Freund aller
Künste und Wissenschaften. Sechsundzwanzig Jahre zählte er, als er
den Thron seines Vaters bestieg; 46 Jahre hat er denselben geziert, von
768—814. Er ist groß als Kriegsheld, als Staatsmann und als
Bildner des Volkes.
Karls Kriege. Karls Regierung ist ein ununterbrochener Kampf.
Seiner Feldzüge zählt man nicht weniger als 52. Seine Umsicht, seine
Tapferkeit, seine Ausdauer sind ebenso einzig, wie die Blitzesschnelle, mit
der er seine Feinde niederschmetterte.
In Italien eroberte er das langobardische Reich und ließ sich
selbst zum Könige der Langobarden krönen. In der goldenen, mit großen
Edelsteinen besetzten Krone der Langobarden befindet sich im Innern
ein eiferner Reif. Dieser soll aus einem Nagel geschmiedet sein, der bei