10
I. Die Borboten der neuen Zeit.
Das Volk, das die Aufgabe zuerst zu lösen suchte, waren die Portu-
giesen, und der Mann, der sie mit seiner ganzen Tatkraft anfaßte, jener
portugiesische Königssohn, der als Prinz Heinrich der Seefahrer in
der Geschichte weiterlebt. Als Großmeister des Christusordens verfügte
er über die reichen Einkünfte dieses Ritterordens, und beseelt von chrift-
lichem Glaubenseifer, stellte er sie in den Dienst seines Unternehmens:
denn die Heidenbekehrung war eine mächtige Triebfeder aller Entdeckungen
jener Zeit. Er verfolgte den Plan, Afrika zu umfahren, um in östlicher
Richtung Indien zu erreichen. Seine Sendlinge kamen schon über das
„Grüne Vorgebirge" hinaus und befuhren fast die ganze Westküste Nord-
afrikas. Unter seinen Nachfolgern führte eine Entdeckungsfahrt, an der
der Nürnberger Patriziersohn Martin Behaim als wissenschaftlicher Be-
rater teilnahm, durch den Meerbusen von Guinea bis in die Nähe der Wal-
fischbai^ Bartholomäus Diaz steuerte (1486) darüber hinaus; als er aber,
durch Stürme nach dem Süden verschlagen, die afrikanische Küste wieder
erreichte, befand er sich bereits jenseits der Südspitze des Erdteils. Auf
seiner Rückfahrt sah er dann das Nadelkap und den wuchtig wirkenden Tafel-
berg, dessen äußersten Felsvorsprung er das „Sturmkap" nannte. Sein
König entschied sich für den Namen „Vorgebirge der guten Hoffnung",
weil der Weg nach Indien nunmehr offen stehe. Doch erst 1498 legte
ba SSmS er*?ügco da Gama diesen Weg glücklich zurück. Nur unter großen Mühen
reicht Ost- überwand er die Südspitze Afrikas, dann aber fuhr er, von dem günstigen
"98. Südwestmonsun getrieben, durch den Indischen Ozean und erreichte die
Küste Malabar in der Nähe der Stadt Kaliknt. Von hier aus gründeten
portugiesische Eroberer (Konquistadoren) in den nächsten Jahrzehnten ein
mächtiges Kolonialreich, das sich über Ceylon, Malaka, mehrere Sunda-
Inseln bis zu den Molnkken und bis nach China erstreckte; denn schon
damals haben die Portugiesen Makao besetzt.
§ 6- Die Entdeckung Amerikas (1492). (Vgl. Vorst. 2, S. 58.) Schon
um das Jahr 1000 waren Normannen von Grönland aus nach Amerika
gekommen und hatten es vorübergehend besiedelt; nach Europa war kaum
eine Kunde davon gedrungen. Erst Christoph Kolumbus aus Genua
entdeckte den Erdteil für Europa, freilich ohne es zu wissen und zu wollen.
Denn er wollte nur auf westlichem Wege erreichen, was die Portugiesen in
östlicher Richtung suchten: Indien. Fleißige erdkundliche Studien hatten
den phantasievollen Mann zu der Überzeugung gebracht, die Erdkugel sei ziem-
lich klein, und zwischen dem Westrande Europas und dem Ostrand Asiens
könne kein sehr großer Abstand sein. In diesem Irrtum bestärkte ihn sein
gelehrter Landsmann Toseanelli, der glaubte, es sei von Portugal bis
Zipangu oder Japan auf dem Landwege weiter als auf dem Seewege. In
Portugal mit seinen Plänen abgewiesen, ging Kolumbus nach Spanien und
wandte sich an die Königin Jsabella von Kastilien. Anfangs vergebens.
Als sie aber mit ihrem Gemahl Ferdinand von Aragonien Granada,
die letzte Burg des Islam in Spanien, erobert hatte, gab sie ihm in der
Siegesstimmung Geld und drei kleine Schiffe.