Lehrhafte Gedichte.
40. Die Frösche.
I. W. v. Goethe, Gedichte. Stuttgart 1868. Bd II 158.
Ein großer Teich war zugefroren,
Die Fröschlein in der Tiefe verloren,
Durften nicht ferner quaken und
springen,
Versprachen sich aber, im halben Traum,
5 Fänden sie nür da oben Raum,
Wie Nachtigallen wollten sie singen.
Der Tauwind kam, das Eis zer¬
schmolz,
Nun ruderten sie und landeten stolz
Und saßen am Ufer weit und breit
10 Und quakten wie vor alter Zeit.
41. Die Nektartropfen.
I. W. v. Goethe, Gedichte. Stuttgart 1868. Bd II 122.
Als Minerva, jenen Liebling,
Den Prometheus, zu begünft'gen,
Eine volle Nektarschale
Von dem Himmel niederbrachte,
5 Seine Menschen zu beglücken
Und den Trieb zu holden Künsten
Ihrem Busen einzuflößen,
Eilte sie mit schnellen Füßen,
Daß sie Jupiter nicht sähe;
10 Und die goldne Schale schwankte,
Und es fielen wenig Tropfen
Auf den grünen Rasen nieder.
Emsig waren drauf die Bienen
Hinterher und saugten fleißig;
15 Kam der Schmetterling geschäftig,
Auch ein Tröpflein zu erhaschen;
Selbst die ungestalte Spinne
Kroch herbei und sog gewaltig.
Glücklich haben sie gekostet,
20 Sie und andre zarte Tierchen:
Denn sie teilen mit dem Menschen
Nun das schönste Glück, die Kunst.
42. Die Teilung der Erde.
Fr. v. Schiller, Gedichte. Sämtliche Werke. Karlsruhe 1823. Bd V ig.
1 „Nehmt hin die Welt, rief Zeus von seinen Höhen
Den Menschen zu, nehmt, sie soll euer sein.
Euch schenk' ich sie zum Erb' und ew'gen Lehen;
Doch teilt euch brüderlich darein!"
2 Da eilt, was Hände hat, sich einzurichten,
Es regte sich geschäftig jung und alt,
Der Ackersmann griff nach des Feldes Früchten,
Der Junker birschte durch den Wald.
3 Der Kaufmann nimmt, was feine Speicher fassen,
Der Abt wählt sich den edlen Firnewein,
Der König sperrt die Brücken und die Straßen
Und spricht: „Der Zehente ist mein!"
Linnig, Lesebuch. I. 15. Aufl.
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