Full text: Leitfaden der Weltgeschichte

90 Kap. 89. Theilung des röm. Reiches. Westgothenreich. 
rückzog, wo er allein Heiliger verehrt wurde. Seinem Beispiele folgten viele andere 
und widmeten sich auf seinen Antrieb dem Gebet und der Handarbeit. Bei seinem 
Tode befanden sich an dreitausend solcher Einsiedler in den Einöden Aegyptens, wo sie 
in mehrfachen Vereinigungen lebten. Die berühmteste derselben war die von Pacho- 
mins auf einer Nilinsel in Thebais (in Obcrägypten) gestiftete. Mau nannte eine 
solche Vereinigung Cönobium oder Monasterium; der Vorsteher führte den Titel 
Abbas oder Abt (Vater). Die Glieder einer solchen Vereinigung waren nach gewissen 
Ordnungen eingeteilt und trieben ihre Geschäfte und Andachtsübungen nach gewissen 
Regeln. — Dieses Mönchs- oder Klosterwesen fand anfangs nur im Morgenland 
Verbreitung; im nüchternen Abendlande kam es erst später auf und erhielt dort wesent- 
liche Verbesserungen. Die Klöster waren vor ihrer Ausartung wohlthätige Trost- und 
Pflegestätten für den leidenden Theil der Menschheit, zumal frühe auch die Erziehung 
der Jugend mit in den Klosterberuf aufgenommen wurde. Doch entwickelte sich im 
Mönchswesen bald die Werkheiligkeit, welche dem geistigen Leben nachtheilig wurde. 
Da unter den Bischöfen der größeren Städte (K. 84) ein Streit über den Vorrang 
(Primat) ausgebrochen war, fo wurde dieser auf dem nicänischen Eoncil (K. 86) dadurch 
geschlichtet, daß die Bischöfe von Rom, Alexandria und Antiochia den Vorrang 
haben sollten. Im Jahr 381 bestimmte ein Eoncil in Eonstantinopel, daß der Bischof 
von Rom den ersten Rang, der von Eonstantinopel den Rang nach ihm haben sollte. 
Kap. 89. Theilung des römischen Reichs und Fortgang der Völker- 
Wanderung. 
(Histor. Atlas, Tafel VIII. Umriß II. 12.) 
(1.) Theodosius der Große hatte vor seinem Tode die Regierung des 
Reiches unter seine beiden unmündigen Söhne g et heilt und dadurch, ohne 
395 es zu wollen, die dauernde Trennung des Reiches in ein oströmisches 
(morgenländisches, auch griechisches oder byzantinisches) Reich und in ein 
weströmisches (abendländisches) Reich veranlaßt. Jenes, das oströmische, 
wurde von seinem Sohne Arcadius, unter dem Beistand des Reichsverwesers 
Rusinus (nachher des Eutropius) von Eonstantinopel aus, das West- 
römische von seinem Sohne Hononus, mit Hülfe des tapferen Wandalen 
Stilicho, von Ravenna aus beherrscht. 
Die Zwietracht der beiden Reichsverweser führte zu Feindseligkeiten, welche 
von den Westgothen benützt wurden, indem sie unter ihrem König Alarich 
Griechenland verheerten und auch in Ober-Italien einzudringen versuchten; 
aber Stilicho's tapferer Arm schlug sie zweimal zurück. Derselbe rettete 
Italien auch gegen einen andern Völkerschwarm, der unter Rhadagais 
von den Alpen her eindrang. 
Von den Resten dieses Völkerschwarmes gedrängt, zogen die Burgunder vom Mit- 
telmain an den Mittelrhein (Worms), von wo sie sich in der Folge bis an die Rhone 
ausbreiteten. — Einzelne Theile jenes Völkerschwarmes, wie die Wandalen, Sueven, 
setzten sich in Spanien fest. 
Als aber Stilicho durch Hofränke gestürzt und hingerichtet wurde, drang 
Alarich mit seinen Westgothen in Italien ein, erstürmte und plünderte 
Rom (410) und wollte auch Sicilien und Afrika erobern, starb aber in Unter- 
italien (bei Cosenza). Hierauf zog sein Nachfolger Athaulf nach Gallien 
und von da nach Spanien, wo nach seiner Ermordung sein Nachfolger 
Wallia die Vandalen und Alanen besiegte. Nach Gallien zurückgekehrt 
419 stiftete er das westgothische Reich, welches Tolosa (das nachmalige Toulouse) 
zur Hauptstadt bekam und in der Folge von der Garonne bis Lusitanien 
reichte (Kap. 95).
	        
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