Einleitung.
1. Ucber Geschichtsdarftellung nach Stoff und Form.
Die Geschichte hat es mit dem Geschehenen zu thun, indem sie die Thatsachen, durch
welche sich der äußere und innere Zustand der Menschheit gebildet hat, nach Stoff und
Form geordnet darstellt. Diese Thatsachen müssen sowohl wahr, als auch merkwürdig
sein. Die Wahrheit der Thatsachen zu ermitteln, ist Aufgabe der historischen Kritik,
welche auf der Kenntniß der geschichtlichen Quellen beruht.
Dem Stoffe nach ist die Geschichte entweder Universalgeschichte oder Special-
geschichte; die letztere beschäftigt sich entweder mit besonderen Theilen der allgemeinen
Geschichte oder mit besonderen Zweigen der geistigen oder materiellen Verhältnisse der
Völker.
Der Form oder Methode nach beruht die Darstellung der Geschichte theils auf der
äußeren, theils auf der inneren Anordnung der Begebenheiten. In Bezug auf
die äußere Anordnung ist die Darstellung entweder ethnographisch, oder synchronistisch,
oder gemischt. Die ethnographische führt die Völker und Reiche einzeln nach einan-
der, jedes als fortlaufendes Ganzes, nach der Aufeinanderfolge in der Zeit vor; — die
synchronistische saßt die Begebenheiten, welche in einem Zeiträume bei den verschiedenen
Völkern gleichzeitig vorfielen, zusammen; — die gemischte sucht die Vortheile beider mit
einander zu vereinigen. Jn^ Bezug auf die innere Anordnung muß die Darstellung
pragmatisch sein, d. h. sie muß die Begebenheiten nach ihrem innern Zusammenhang
aufführen, welcher durch die näheren oder entfernteren Ursachen und durch ihre unmittel-
baren Folgen bedingt ist.
Der Einheitsgrund, von welchem die Darstellung getragen wird, ist entweder der
politische, oder der ethische, oder der religiöse, oder der allgemein menschliche,
nämlich der christliche, welcher letztere als der wahrhaft allseitige oder universelle alle vor-
her genannten in sich schließt und darum für die Universalgeschichte der geeignetste ist.
Der Geschichtsforschung ist die Bekanntschaft mit der Sprachen - und Alterthums-
künde, mit der Philosophie und Theologie, mit der Staatenkunde und Staats-
Wissenschaft, mit der Literatur und Kunst nöthig. Außer diesen allgemeinen Hülfs-
Wissenschaften sind ihr noch verschiedene specielle unentbehrlich: zunächst die Geographie
und Chronologie, dann auch die Epigraphik oder Inschriftenkunde, die Genea-
logie oder Kenntniß der Verwandtschaftsverhältnisse der Geschlechter, Heraldik oder
Wappenkunde, die Sphragistik oder Sigelkunde, die Diplomatik oder Kenntniß der
Urkunden und deren Abfassung, die Numismatik oder Münzkunde.
Der leichteren Uebersicht wegen theilt man die Geschichte in Perioden oder Zeiträume,
die mit solchen Ereignissen beginnen oder schließen, welche Epoche machten, d. h. von tief
eingreifendem Einfluß auf das innere und äußere Leben der Menschheit waren.
Nach der vorzugsweise auf das äußere Leben der Menschheit sich beziehenden Perioden-
eintheilung unterscheidet man alte, mittlere, neue und neueste Geschichte: die alte schließt
mit dem Untergänge des weströmischen Reiches; die mittlere mit der Entdeckung Ame-
rika's; die neue beginnt mit der Reformation; die neuefte mit der französischen Revolu-
tion. — Nach der vorzugsweise das innere Leben berücksichtigenden Geschichtsdarstellung,
welche Christus als den Mittel- und Wendepunkt des Menschheitlebens erkennt, theilt man
dieUniversal-Geschichte in die Geschichte der Welt vor Christus und in die nach Christus.
Die vorchristliche Geschichte zerfällt im Allgemeinen in zwei Perioden: in die Zeit
des orientalischen und in die Zeit des griechisch-römischen Alterthums; — die
nachchristliche Geschichte zerfällt ebenfalls in zwei Hauptperioden. In der ersten ging die
Kirche nach Ueberwindung des Heidenthums die Verbindung mit dem Staate ein, er¬
hielt sich aber nicht frei von dem Einflüsse der Welt, sondern trachtete nach erlangter Herr-
jchaft über die Gemüther auch nach äußerer Herrschaft über die Welt und gerieth dadurch
selbst in Verweltlichung. — In der zweiten Periode, die mit der Reformation beginnt,
Dittmar, Leitfaden der Weltgesch. 7. Aufl. i