Kap. 47. § 170 u. 171. Griechische Philosophie. Redekunst. 129 
derselben, im Grunde also nur nach eitlem Ruhm und niedrigem Gewinn 
trachteten und die Philosophie zu einem Gewerbe machten. Unter ihnen 
waren Protagoras aus Abdera, Gorgias aus Leontini, Prodicus 
aus Keos, Hippias aus Elea die namhaftesten. Ueber ihre Verdienste 
um die Entwicklung der Beredsamkeit s. § 171. 
(170.) Mit welchem Ernst und Erfolg Sokrates diesem grundverderb¬ 
lichen Zeitgeist entgegenarbeitete und wenigstens durch Aufstellung einer 
höheren moralischen Glückseligkeitslehre und eines gemeinverständ¬ 
lichen Deismus spätern tiefern Wahrheitsforschern Bahn machte, ist schon 
oben (§ 157) gezeigt worden. 
Aus seiner Schule gingen Männer hervor, die, wie verschieden sie auch in ihren 
Lehrsystemen waren, doch meist von einem ernsten Wahrheitssinne geleitet wurden. 
Unter denjenigen Schülern des Sokrates, welche keine Schule stifteten, befand sich der 
schon erwähnte ^enöphoii, der in seinen philosophischen Schriften die praktisch-mora- 
lische Seite seines Lehrers hervorhob; unter denjenigen Schülern des Sokrates aber, 
welche Schulen stifteten, sind besonders hervorzuheben: Euklides, der Stifter der 
megarischen Schule, die übrigens in dialektische Spitzfindigkeiten verfiel; — Anti- 
sthenes, der Stifter der cynifchen Schule, welche das Zurückgehen auf den Natur¬ 
zustand als höchstes Ziel aufstellte und in Diogenes von Sinope ihr Extrem erreichte; — 
Aristippus, der Stifter der eyrenäischen Schule, welche die Kunst des Genießens 
lehrte, aber einer die Sittlichkeit gefährdenden Glückseligkeitslehre Vorschub tat. 
Am vollkommensten nahm Plato (geb. 429), der Stifter der acade- 
mifchen Schule, die Lehre des Sokrates in sich auf, ja er leitete durch 
seinen universellen Geist die Philosophie in das höhere Gebiet der Ideen 
und suchte in der Jdealphilosophie die Einheit alles andern Wissens, 
während sein Schüler Aristoteles, der Stifter der peripatetischen Schule, 
den reinen Gegensatz bildete, indem er den Anhalt für seine Forschungen 
nicht in der Idealwelt, sondern in der Erscheinungswelt oder in dem 
durch die Natur und Erfahrung Dargebotenen suchte und die rohen 
Stoffe des Wissens nach den von ihm aufgestellten Forschungsgesetzen ordnete. 
Er ist der Gründer der Logik, Rhetorik, Poetik und brachte das weite 
Gebiet der Naturwissenschaften in einen systematischen Zusammenhang. 
Der ideale Platö und der kritische Aristoteles stehen in der Philosophie als die zwei 
höchsten, obgleich sich entgegengesetzten, nichtsdestoweniger aber gleich notwendigen und 
gleich wertvollen geistigen Größen der alten (heidnischen) Welt da, über die hinauszu¬ 
kommen ihr zwar nicht vergönnt war, um die sich aber alles Suchen nach Wahrheit 
auf dem Wege blos menschlicher Forschung immer bewegen wird. Ja von Plato 
muß anerkannt werden, daß nicht nur seine religiöse Anficht von Gottes Dasein, 
Wesen, Namen, Eigenschaften und Werken dem Christentum nahe steht, sondern 
auch, Laß seine Moral in Betreff der Lehren vom Wesen und Wert der Seele, von 
der Natur und Wirkung des Bösen, von dem Adel und der Beschaffenheit der Tugend 
und von der Fortdauer und Vergeltung nach dem Tode nicht selten auf eine über¬ 
raschende Weise mit der christlichen Sittenlehre übereinstimmt. Dazu kommt bei ihm 
noch, daß er nirgends sagt, er habe diese Ueberzeugungen rein aus sich selbst und seiner 
Vernunft geschöpft, sondern er führt sie teils auf heilige Ueberlieferungen, auf Aus¬ 
sprüche alter gottbegeisterter Sänger zurück, teils leitet er sie aus einem gewissen Vor¬ 
zustand der Seele her, in welchem diese, noch bei Gott seiend, das Wahre und Ewige 
durch Anschauung erkannte, dessen sie sich nur wieder erinnere. 
(171.) Noch ist der Redekunst zu gedenken, die bei den Griechen von 
der Staatskunst unzertrennlich war. Nachdem die Beredsamkeit früherhin 
nur als Naturgabe aufgetreten war, entwickelte sie sich nach den Perser¬ 
kriegen durch die Ausbildung und Erweiterung der Demokratie mit Hülse 
der Philosophie und Dialektik zu einer kunstreichen Redeweise, in welcher 
Dittmar, Umriß d. Weltgesch. 12. Aufl. I. g
	        
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