Kap. 6. § 20. Die Inder. 19
den in einem beständigen Kampfe dargestellt, der mit Besiegung Ahriman's enden
-werde. Den schädlichen Einfluß der bösen Geister durch Opfer und Sühnungen abzu¬
halten, war das Hauptgeschäft der Priester. Götzenbilder hatte das Zendvolk nicht.
Denn jeder Mensch, behauptet diese Lehre, sei im Grunde doppelt vorhanden:
einmal in irdischer Gestalt als sündiges, dem Einfluß der bösen Geister ausgesetztes
Wesen, dann zugleich als sein eigenes Urbild mit ursprünglicher Freiheit und Reinheit
in überirdischer Gestalt (als sein Fravashi, d. i. Fortwachs, oder wie später die
Perser sagten, als sein Ferver, oder wie wir sagen würden, sein Genius). — Die
ursprüngliche Einheit, aus welcher der obige Dualismus hervorging, wurde früherhin
als Zeruane Akerene, d. i. unerschaffene Zeit, verehrt, trat aber allmählich
in der Vorstellung gänzlich zurück.
Die ganze Religion hatte eine astronomische und astrologische Grundlage,
und an die Erscheinungen und Bewegungen der Gestirne waren die wich¬
tigsten Vorrichtungen des religiösen und bürgerlichen Lebens dieser Arier
oder Jranier geknüpft. Auch hatten sie nicht nur die Einteilung des
Jahrs in zwölf Monate oder in 360 Tage mit noch 5 Ergänzungstagen,
sondern auch die Einteilung des Himmels durch die Sonnenbahn nach
den bekannten zwölf Sternbildern, oder den sogenannten Tierkreis
(Zodiakus).
Die Religions- und Staatsverfassung des Zendvolks ging nachher durch
seinen Priesterstand auf die Meder und von diesen auf die Perser über,
denn diese beiden Völker, deren Sprache nur Mundarten des Zend waren,
haben von uralten Zeiten her dem Bildungskreise der zendischen Arier an¬
gehört. (S. §. 55 und 57.)
Kap. 6. Die indischen Arier oder Inder, sowie die anderen Bewohner
Alt-Indiens.
Histor. Atlas. Taf. V.
(20.) Die vorderindische Halbinsel bot wegen ihrer auf zwei Seiten
vom Meere und im Norden von den höchsten Gebirgen begrenzten Lage ihren
Bewohnern die Möglichkeit einer ungestörten selbständigen Entwicklung. Ihr
65,000 Q. M. großer Flächenraum, der heut zu Tag 140 Mill. Menschen
der verschiedensten Rassen umfaßt, enthält die größte Mannichfaltigkeit der
Hochebenen und Niederungen, des Küsten- und Binnenlandes, der Erzeug¬
nisse, des Klimas und des Völkerlebens. Der die Nordgrenze bildende,
400 geogr. Meilen lange HimLlaya mit seinen vielen Riesenspitzen senkt
sich nach dem Süden zu durch mehrere Bergstufenreihen in das warme,
durch ihn gegen die Nordwinde geschützte Tiefland Indiens, in das er die
fünf größten indischen Ströme, den Indus, Satadru (Setledsch), Ja-
muna (spr. Dschamurck, gewöhnlich Dschumna), Ganges und Brah¬
maputra entsendet, welche den Reichtum des Landes begründen; —
während der südliche Teil der Halbinsel in der Mitte das unter den Tropen
liegende Tafelland Dekhan enthält, welches nördlich von dem wilden
Vindhiagebirge, westlich und östlich von dem in zwei schmale fruchtbare
Küstensäume abfallenden Gahtgebirge, südlich durch den Nilagiri be¬
grenzt ist.
In diesem an den herrlichsten Naturerzeugnissen reichen Lande wohnte
rn vorhistorischer Zeit eine Urbevölkerung, die, obgleich von schwarzer
Farbe, sich dennoch durch ihr schlichtes Haar und edle kaukasische
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