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24. Otto der Große und Hermann Billung.
(Sage.)
Ls war um das Zahr^o nach Lhr. (8., da hütete nicht weit von
Stübeckshorn ein vierzehnjähriger Knabe die Herde seines Vaters auf
der weide. Da kam ein prächtiger Zug von gewappneten Rittern
daher gezogen, stolz zu Roß. Der Knabe sieht mit Lust die blinkenden
Helme und Harnische, die glänzenden Speere und die hohen Reitersleute
an. Die aber biegen plötzlich von der sich krümmenden Straße ab
und kommen querfeldein auf die Stelle zugeritten, wo er das Vieh weidet;
und das Feld ist doch keine Straße, und es gehört doch seinem Vater!
Lr besinnt sich kurz, geht kühn auf die Reiter zu, stellt sich ihnen in den
weg und ruft ihnen entgegen: „Kehret um, die Straße ist euer, das
Feld ist mein!" Lin hoher wann, auf dessen Stirn ein majestätischer
Lrnst thront, reitet an der Spitze des Zuges und sieht verwundert den
Hirten an, der es wagt, ihm entgegenzutreten. Lr hält sein Roß zurück
und hat seine Freude an dem mutigen Knaben, der so kühn und furcht¬
los seinen Blick erwidert und nicht vom Platze weicht, „wer bist du,
Knabe?" — „Ich bin Hermann Billungs ältester Sohn und heiße auch
Hermann, und dies ist meines Vaters Feld; ihr dürft nicht darüber¬
reiten." — „Ich will's aber, Knabe," erwiderte der Ritter mit drohen¬
dem Lrnste; „weiche, oder ich stoße dich nieder!" Dabei erhob er den
Speer. Der Knabe aber bleibt furchtlos stehen, sieht mit blitzendem
Auge zu dem Ritter hinauf und spricht: „Recht muß Recht bleiben, und
Ihr dürft nicht über das Feld reiten, Zhr reitet denn über mich hinweg!"
— „was weißt du vom Recht, Knabe?" — „wein Vater ist der Bil¬
lung, und ich werde es nach ihm; vor einem Billung darf niemand das
Recht verletzen!" — Da ruft der Reiter noch drohender: „Zst denn das
Recht, Knabe, daß du deinem Könige den Gehorsam versagest? Zch bin
Gtto, dein König!" — „Ihr seid Gtto, unser König, Deutschlands Hort
und der Sachsen Zierde, von dem mein Vater uns so viel erzählt?
Gtto, Heinrichs des Sachsen Sohn? Nein, Ihr seid es nicht! Der König
schützt das Recht, und Zhr brechet das Recht! Das tut Otto nicht, sagt
mein Vater!" — „Führe mich zu deinem Vater, braver Knabe!" ant¬
wortete der König, und eine ungewöhnliche Wilde und Freundlichkeit
glänzte auf seinem ernsten Angesichte. „Dort ist meines Vaters Hof,
Zhr könnt ihn sehen," sagte Hermann; „aber die Rinder hier hat mein
Vater mir anvertraut, ich darf sie nicht verlassen, kann Luch also auch
nicht führen. Seid Zhr aber Gtto, der König, so lenket ab vom Felde
auf die Straße; denn der König schützet das Recht!"
Und der König Gtto, der Große genannt, gehorcht der Stimme des
Knaben, denn der Knabe hatte recht, und reitet zurück auf die Straße.
Bald aber wird Hermann vom Felde heimgeholt; der König war bei
seinem Vater eingekehrt und hat zu ihm gesagt: „Billung gib mir deinen
ältesten Sohn mit, ich will ihn bei Hofe erziehen lassen; er wird ein