70 Kap. 27. § 91. Das babylonische Weltreich. 
und Stärkung gereichte, verrichtete nicht nur während Nebucadnezar's Regierung, sondern 
auch noch unter den Nachfolgern desselben sein hohes Amt in der Furcht des Herrn. 
(91.) Indessen fuhr Nebucadnezar fort, seine Macht auszudehnen. Zu¬ 
nächst eroberte er Phönizien. Hier zerstörte er das feste Tyrus, das ihm 
schon seit 13 Jahren standhaften Widerstand entgegengesetzt hatte (585 v. 
Chr.) und versetzte einen Teil der Einwohner dieser Stadt nach Baby¬ 
lonien, während die kühnern auf die Küsteninsel nach Neu-Tyrus sich flüch¬ 
teten, das in der Folge eben so mächtig wurde, wie die Mutterstadt es 
gewesen. Darauf nahm er ganz Aegypten ein, das er ebenso behandelte 
wie Palästina; ja er soll seine Macht in Nordafrika bis zu den Säulen 
des Herkules und in Asien bis an Ostpersien ausgedehnt haben. 
Die Stadt Babylon (§ 10) hatte (nach Herodot) zwei Mill. Einwohner; sie bildete 
ein Viereck, davon jede Seite drei geographische Meilen lang war. Mitten durch sie 
hindurch floß der Euphrat; eine PrachtbrUcke verband beide Stadtteile. Die mit einem 
Wassergraben umgebene, 200 Ellen hohe und 50 Ellen breite Stadtmauer war mit 
250 Türmen versehen und hatte 100 eherne Tore. Ein großer Teil der 625 Stadt¬ 
gevierte bestand aus Feldern und Gärten; an jedem Ufer befand sich ein königlicher 
Palast und bei dem einen derselben die sogenannten hangenden Gärten der Se- 
miramis. — Uebrigens war (nach M. Niebuhr) Nebucadnezar kein „Eroberer aus 
Lust": er führte seine Kriege nur zur Sicherung seines väterlichen Erbes und um Aegyp¬ 
tens Anschläge auf dasselbe zu vernichten. Er regierte überhaupt 43 Jahre lang über 
Babylonien und erfüllte ganz Asien mit dem Glanz seines Namens. Im Propheten 
Ezechiel (32, 11 ff.) ist in einem gewaltigen Bilde der Eindruck geschildert, den seine 
Herrschergewalt auf die ihm unterworfenen Völker machte, wie er denn auch in der Ge¬ 
schichte den Beinamen „der Große" hat. 
Nach Nebucadnezar's Tode (561 v. Chr.) fing die babylonische Macht 
an zu sinken. Sein Sohn und Nachfolger Evilmerodach wurde im 
zweiten Jahre feiner Regierung von seinem Schwager Neriglissar ge¬ 
tötet. Als dieser sodann von den Medopersern angegriffen wurde, rief 
er den lydischen König Krösus zu Hülfe, unterlag aber in einer Schlacht 
gegen den medischen König Astyages (558 v. Chr.). Auch sein unmün¬ 
diger Sohn und Nachfolger Laborosoarchod fand schon nach neun Mo¬ 
naten seinen Tod durch Naboned oder, wie Berosus ihn nennt, Laby- 
netos, oder nach der Bibel Belsazar, den letzten der babylonischen 
Despoten, unter welchem Babels Macht durch die medo-persische 
zusammenbrach (536 v. Chr.). 
Nach der Entdeckung des englischen Majors Rawlinson, durch den seit 1850 das 
durch Grotefend und Lassen begründete Studium der altpersischen Keilschrift (zu¬ 
gespitzte Striche in verschiedenen Lagen wie V A <C rc. dienen zur Bezeichnung der 
Laute) einen weiteren Aufschwung nahm, hatte Naboned (Nabunid) zum Mitregenten 
seinen Sohn Belcharedzar, und dies ist der im Buche Daniel vorkommende Bel- 
fazar, den man sonst mit Naboned nicht zu vereinigen wußte. Naboned, der außer¬ 
halb der Stadt geschlagen wurde, hielt sich noch in Borsippa, der Stadt des baby¬ 
lonischen Turms, die ein besonderer Stadtteil in Babylon gewesen sein muß (wie etwa 
die Akropolis in Syrakus). Dort capitulirte er und ging in's Exil nach Karmanien. — 
Der Glanz der Stadt Babylon erhielt sich zwar noch unter den persischen Königen; 
aber dennoch erfüllte sich der noch übrige Teil der Weissagung Jesaja's (13, 19 ss.) 
im Laufe der Zeit vollständig. 
Kap. 28. Die persische Weltmonarchie. Stiftung des Perserreichs. 
Babylons Untergang. Israels Wiederherstellung. 
Hist. Atlas. Taf. I vergl. mit Taf. V. 
(92.) Der Stoß auf die babylonische Weltmacht ging von den ver¬ 
einigten Medern und Persern aus. Bis zum Jahr 558 v. Chr. nämlich
	        
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