82 Kap. 30. § 108. Trojanischer Krieg. Kap. 31. § 109. Dorische Wanderung.
(108.) Der trojanische Krieg (1194—1184 v. Chr.) war eine gemein¬
same Kriegsunternehmung fast aller hellenischen, besonders aber achäi-
schen Völkerschaften gegen das in Vorderkleinasien gelegene Troja.
Er hatte seinen Ursprung in der persönlichen Feindschaft zwischen den trojanischen
Königen und den Pelopiden, deren Stammvater Pelops einst vom trojanischen
König Dardanus zur Auswanderung genötigt worden war. Diese Feindschaft kam
späterhin zum offenen Ausbruch, als des trojanischen Königs Priamus Sohn, Paris,
die durch ihre Schönheit berühmte Helena, Gemahlin des Menelaus, Königs von
Sparta, entführte. Denn um diese Verletzung des heiligen Gastrechts zu rächen, unter¬
nahmen Menelaus und sein mächtiger Bruder Agamemnon von Mycenä mit den
meisten griechischen Fürsten einen gemeinschaftlichen Krieg gegen die Trojaner.
Unter der Oberanführung Agamemnon's zogen die vereinigten (100,000) Griechen
von Aulis aus auf 1186 Schiffen gegen Troja, welchem anderseits viele kleinasiatische
Völkerschaften in der Verteidigung beistanden. Während der zehnjährigen Belagerung
Trojas zeichneten sich auf Seiten der Griechen, außer den beiden genannten Fürsten,
noch der tapfere Myrmidonenfürst Achilleus und sein Freund Patroklus aus Thessa¬
lien, Diomedes aus Argos, Ajax und Teukrus aus Salamis, Ajax aus Lokris,
ber weise Nestor aus Pylos, der kluge Odysseus von Jthaka, Jdomeneus von
Kreta —; auf Seiten ber Trojaner ber tapfere Hektor, Aeneas unb Sarpedon
sowohl im Rat wie im Einzelkampf unb in ber Feldschlacht aus. Enblich würbe bie
Stabt nach bem Falle Hektor's und nach ber Entwenbung des schützenden Palla¬
diums durch die List des Odysseus (mit dem hölzernen Pferd) erobert und zerstört;
Priamus und seine noch übrigen Söhne wurden getötet, seine Gemahlin, die greise
Hekuba, ihre Töchter (darunter Kassandra), samt Hektor's Gattin Andromache und
andern Trojanerinnen zu Sklavinnen gemacht, Helena aber, die alles Unheil veran¬
laßt, von Menelaus wieder angenommen. Nur einer kleinen Schar Trojaner unter
Anführung des Aeneas gelang es, sich durch die Flucht zu retten und in Italien eine
neue Heimat zu finden. Die heimkehrenden Griechen aber hatten teils auf langen Irr¬
fahrten noch manches Ungemach zu bestehen, teils fanden sie nach ihrer Heimkehr Ver¬
wirrung und Unglück im Hause.
Den Krieg von Troja hat der epische Dichter Homer (1000 v. Chr.) in der Ilias
und des Odysseus Irrfahrten und Heimkehr nach Jthaka zu seiner treuen, von über¬
mütigen Freiern bedrängten Gattin Penelope in der Odyssee besungen (§ 131).
Die Ermordung des von Troja zurückgekehrten Agamemnon durch seine ungetreue
Gemahlin Klytämnestra und deren Buhlen Aegisthus hat der griechische Dichter
Aeschylus (§ 168) in einer seiner Tragödien dargestellt.
Kap. 31. Die dorische Wanderung und die griechischen Kolonien.
Histor. Atlas. Taf. III. u. IV.
(109.) Etwa 60—80 Jahre nach dem trojanischen Kriege begann eine
Stämme- und Völkerwanderung, welche, von den Nordgrenzen Grie¬
chenlands ausgehend und stoßweise nach dem Süden sich fortsetzend, ge¬
waltsame Veränderungen, ja eine völlige Umwandlung der bis dahin
im griechischen Mutterlande bestandenen Lebeus- und Staats¬
formen herbeiführte. Es ist dies die sogenannte dorische Wanderung,
mit welcher die eigentliche historische Zeit für Griechenland andämmert.
Unter der Anführung des Temenus, Kresphontes und Aristodemus,
dreier Herakliden (eines Adelsgeschlechts, das seine Abstammung auf den
Herakles zurückführte), machten sich nämlich die Dorer, ein rauhes Bergvolk
in Thessalien, begleitet von Aetolern und deren Anführer Oxylus, gegen
den Peloponnes auf, setzten bei Naupactus über den korinthischen Meer¬
busen und besiegten in einer großen Schlacht den Herrscher von Argos
Tisamenos (den Enkel des Agamemnon) und andere sich ihnen widersetzende
(meist achäifche) Fürsten und Völker, worauf sie in vielfachen Kämpfen,