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Die griechische Welt.
herrlicher Gebäude verwendete (§. 87.) und diese mit Kunstwerken schmücken ließ, verfer¬
tigte Pheidias die Pallasstatuen, die schönsten Zierden Athens, und die Zeusstatue
in Olympia, auf dessen Angesicht ein solcher Ausdruck „der Allmacht und Erbarmung,"
des Friedens und der Ruhe gelegen haben soll, daß sein Anblick, wie die Alten sagten,
„die Seele ihres Erdenleids vergessen machte," und derjenige für unglücklich gehalten
wurde, der nicht vor seinem Tode das Anschauen desselben genossen hatte. Polyklet
war ausgezeichnet in der richtigen Auffassung und gefälligen Darstellung kräftiger Kör¬
pergestalten. Berühmt waren besonders sein Lanzenträger, und die kolossale Bild¬
säule der Hera in Argos. Auch Myron (o. 430), einer der gepriesenften Bildner in
Erz, Marmor und Holz, gehört dieser Zeit an. Er war besonders groß in der Auf¬
fassung des kräftigen Naturlebens in der ausgedehntesten Mannichfaltigkeit. Seine Dar¬
stellungen aus der Thierwelt (besonders die vielbesungene eherne, das Kalb säugendeKuh),
so wie sein Diskoswerfer und sein Herakles, gehörten zu den berühmtesten Kunst¬
werken der griechischen Welt. Unter Pheidias' Schülern waren A l k a m e n e s und A g o-
rakrrtos die bedeutendsten. 3) Der schöne Styl überdauerte die griechische Freiheit
und lebte selbst nach Alexanders Tode in einer schönen Nachblüthe fort. Dieser Periode
gehören die drei größten Künstler, Praxiteles von Athen, Skopas aus Paros und Ly-
sippos aus Sikyon an. Der erstere gab besonders dem Dionysos (Bacchus) und den
mit der Dionysossage verbundenen Gestalten (Saty rn) das Gepräge, das von dem an
herrschend geblieben ist; außerdem sind besonders seine Aphrodite -(Venus-) statuen,
namentlich die von Kos und Knidos und sein Eros (Amor) berühmt. Auch der etwas
ältere Skopas nahm die Objekte seiner Kunst vorzugsweise aus dem Dionysos- und
Aphrodite-Mythus; außerdem war sein Apollon mit der Leyer (Kitharödos)
und seine Gruppe von Meergöttern, die den Achilles nach der Insel Leuka führen,
ausgezeichnet. Waren diese beiden vorzugsweise in der Marm orb ild n erei groß, so
glänzte dagegen Lysippos besonders in der Erz gieß erei; er strebte nach möglichster
Vollendung der Menschengestalt in ihren verschiedensten Erscheinungen und beobachtete zu
dem Behuf fleißig nackte Körper; doch wußte er die Natur ideal zu veredeln. Unter seinen
Werken waren besonders berühmt ein k o l o ssa l c r I up i t er in Tarent; die hohe Heroen¬
gestalt des Herakles in Korinth, das Viergespann des Helios, dessen Pferde sehr
gerühmt wurden und vor allen seine Alexanderstatuen. — Durch diese Künstler
erlangte die Plastik ihren Höhepunkt, auf dem sie sich länger als die Literatur gehalten
zu haben scheint, doch mit dem Unterschied, daß die solgendeZeit in den Compositioncn
sich meistens an die altern Leistungen hielt und das Vorhandene durch keine neuen Erfin¬
dungen bereicherte, dagegen die K u n st fe rt igke i t und technische Gewandtheit
von dem erlangten Grad der Vollendung nicht herabsinken ließ. Ja selbst zur Zeit der
Diadochen (Nachfolger Alexanders) und der Römermacht, während welcher die Kunst
ausschließlich den Griechen überlassen blieb, hat die technische Geschicklichkeit noch den alten
Rang hehauptet, wie aus den noch vorhandenen Werken, die größtentheils dieser spätern
Zeit angehorcn, hervorgcht. — Auch die Malerei durchlief die drei Perioden. Perikles'
Zeitgenosse Polygnötos von Thasos, verherrlichte die Stoa (Poikile) in Athen mit
Scenen aus den Perserkriegen und ein Gebäude in Delphi mit den herrlichen homerischen
Stoffen aus dem Trojanerkrieg. — Zeuxis aus Herakleia in Unteritalien verwendete
mehr Sorgfalt auf die Zeichnung und strebte das „blendende Schöne" an, wogegen Par-
rhassos aus Ephesos in „das Zarte und Anmuthige im Angesichte" den höchsten Werth
setzte. Die Vorzüge des Apelles scheinen in Sicherheit der Zeichnung, in Kraft der Com-
position und in Schönheit des Kolorits bestanden zu haben. Von seiner dem Meere ent¬
steigenden Aphrodite (Anadyomene), von seinem Alexander mit dem Donner¬
keil und von seiner Artemis unter opfernden Jungfrauen sprach das Alterthum mit
Entzücken.