Full text: Lehrbuch für den Geschichtsunterricht an höheren Schulen

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Latein und alte Geschichte blieben ausgeschlossen. Dagegen 
sollte der Prinz Französisch und Deutsch kurz und gefällig 
schreiben und sprechen, die neuere Geschichte, namentlich des 
Hauses Brandenburg, verstehen lernen, hauptsächlich aber beten 
sowie exerzieren und andere körperliche Hebungen machen, 
damit er ein guter Soldat werde, ein guter, sparsamer Wirt 
und ein guter evangelischer Christ. Zum Lehrer gab ihm 
der König den Sohn eines Refugie, den hochgebildeten 
Dnhan, den er selbst in den Laufgräben vor Stralsund als 
Kriegsfreiwilligen kennen gelernt hatte. 
Aber den hochbegabten Jüngling fesselten Musik und 
französische Litteratur mehr als Schießen und Reiten und die 
Spässe des „Tabakskollegiums", welches der Vater abends um 
sich sammelte. Friedrich Wilhelm wurde ungeduldig über den 
eigensinnigen „Querpfeifer und Poeten"', der sich die Haare 
nicht verschneiden ließ und „nit populär und affabel" sei. Ihn 
schmerzte, daß sein Sohn ihm nicht vertrauend entgegenkam. 
In seiner Heftigkeit schritt er dann wohl zu Vorwürfen 
und Thätlichkeiten, selbst vor Fremden. Zuletzt faßte der 
1730 Prinz im Einvernehmen mit dem unbesonnenen Leutnant von 
Katte den Entschluß, aus einer Reise nach Süddeutschland 
(„ins Reich"), auf die ihn sein Vater mitnahm, seinem 
„Käsige" zu entfliehen. Der Anschlag mißlang. Ein Page, 
dem er sich anvertraut, legte in Mannheim dem König ein 
Geständnis ab. Aber erst in Wesel stellte der Vater den 
Sohn zur Rede; in seiner Erregung fürchtete er ein Ein- 
Verständnis mit fremden Mächten. Friedrich gestand alles 
freimütig und bat nur, ihn allein zu bestrafen. Er wurde 
in Küstrin verwahrt und im Schlosse zu Köpeuik vor ein 
Kriegsgericht gestellt. Die Richter weigerten sich ein Urteil 
zu fällen, weil Friedrichs Fehltritt keine Fahnenflucht sei. 
Der Vater gab nach; aber vor dem Fenster des Prinzen in 
Küstrin wurde Katte trotz des milderen Spruches des Kriegs- 
gerichtes enthauptet. Der König selbst durchirrte in fummer- 
vollen Nächten schlaflos sein Schloß, bis er zusammenbrach. 
5. Nun mußte Friedrich ihm einen Reueid leisten und 
gleich in Küstrin in der Kriegs- und Domänenkammer arbeiten: 
er sollte lernen, mit welcher Mühe der Bauer einen Groschen 
verdiene, damit er einst ratsam mit den Thalern umgehe. 
„Er soll nur meinen Willen thuu, das französische und eng- 
lische Wesen aus dem Kopfe schlagen und nichts als preußisch, 
seinem Herrn Vater getreu sein und ein deutsches Herz haben." 
Friedrich war unverdrossen thätig und widmete sich daneben 
eifrig seinen Studien. Nach einem Jahre sah ihn der Vater
	        
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