Full text: Lehrbuch für den Geschichtsunterricht an höheren Schulen

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Westrande des Amanns-Gebirges nach Syrien. Erst hier er- 
fuhren die Hellenen, daß es dem Könige gelte. Den Euphrat 
zur rechten, ging es nun durch die baumlose Heide Meso- 
potamiens mit ihren Wohlgerüchen, ihren Wildeseln uud Ga- 
zellen, Straußen und Trappen, weiterhin durch Steppen, wo 
Korn und Mehl ausging und die Söldner — mit Fleisch 
vorlieb nehmen mußten, bis sich Gelegenheit gab, Palmwein 
und Hirsebrot zu kaufen. Nirgends stieß man auf Widerstand: 
das Weltreich, das bis zu den Wüsteneien der heißen wie der 
kalten Zone zu reichen schien, stand einem entschlossenen 
Feind offen. 
Erst unweit Babylons trat Artaxerxes dem Prinzen ent- 
401 gegen. In der Abendschlacht bei Knnaxa warfen die Griechen 
v.Chr. ans dem rechten Flügel den Feind ohne Verlust zurück. Kyros 
selbst sprengte entblößten Hauptes seiner gepanzerten Ritter- 
garde voraus auf den Bruder los. Schon war der König 
verwundet; da fuhr dem Empörer eine Lanze in die Stirn. 
Uber dem Leichnam ihres Herrn starben seine Getreuen, feilte 
• Tischgenossen, eines freiwilligen Heldentodes. 
Den siegreichen Griechen gewährte man eine Waffen- 
ruhe. Aber sie standen mitten im Feindesland, ohne Reiterei, 
ohne Wegweiser, durch breite Ströme und unabsehbare Einöden 
von der Heimat getrennt. Ihr unbeugsamer Führer, der 
Spartaner Klearchos, wurde samt seinem Stabe durch den 
Satrapen Tissaphernes in eine Falle gelockt und enthauptet. 
In der ^chreckensnacht, die diesem Treubruch folgte, 
fuhr dem jungen Xenophon, der als Begleiter eines der ver¬ 
ratenen Offiziere den Feldzug mitmachte, wie ein Blitz der 
rettende Gedanke durch den Kopf. „Gottlob, daß die Feinde 
den Eid gebrochen, der uns abhielt, Lebensmittel zu nehmen, 
wo wir sie finden!" sprach er zu einigen vertrauten Haupt- 
leuten, die er geweckt hatte; „raffen wir uns auf, ehe auch 
wir in die Hände des Königs fallen!" In mitternächtlicher 
Stunde versammelten sich die Offiziere, dann die Söldner 
und wählten neue Feldherren. Tenophon übernahm die ge- 
fährlichste uud schwierigste Aufgabe: die Führung der Nachhut. 
„Wer leben will und die Seinen wiedersehen, der helfe siegen!" 
rief er den Kriegern zu, die seine Beredsamkeit mit Zuversicht 
erfüllte. 
4. Nun begann der wunderbare Rückzug der Zehn- 
tausend aus dem Lande der Dattelpalmen ans Schwarze 
Meer. Xeuophon war der Trost, die Seele des Heeres. Sein 
Vorbild schlichter Frömmigkeit und freudigen Vertrauens 
scheuchte allen Kleinmut hinweg. „Wo man den Göttern
	        
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