Full text: Lehrbuch für den Geschichtsunterricht an höheren Schulen

IV 
Einzelwesens zn vergegenwärtigen. Mit einem Wort: die 
Geschichtsstunde muß ihren Stoff ebenso sehr zum Erlebnis 
der Schüler macheu, wie dies mit Inhalt und Form der 
Klassiker nud wohl auch mit der Erd- und Naturkunde der 
Fall ist. Diese Obliegenheit aber kann glücklicherweise das 
ausführlichste Lehrbuch weder dem Lehrer noch dem Schüler 
ersparen; wohl aber kann eine abgerundete Darstellung der 
wichtigsten Begebenheiten und Zustande den Unterricht des 
zeitraubenden Geschäfts eingehenden Erzählens überheben und 
es ihm dadurch ermöglichen, den Schwerpunkt seiner Arbeit 
auf die Auffindung der Grundgedanken, der großen 
Zusammenhänge, der Merkmale einer Zeit oder einer Person, 
aus die vergleichende Würdigung verwandter oder entgegen- 
gesetzter Erscheinungen zu legen; sie bildet die notwendige 
Unterlage zu dem analytischen Verfahren, das wie 
allenthalben, so auf dem Gebiet der Geschichte das einzig 
fruchtbare ift. Erzählen und Nacherzählen kann und soll 
sich aus eine Übersicht beschränken; die Hauptarbeit innerhalb 
jeder pädagogischen Einheit aber wird darin bestehen, daß 
keineswegs alle, wohl aber die wichtigsten Gesichtspunkte, 
namentlich auch solche, die in den gleichzeitigen Lehrstoffen 
der andern Fächer Aufmerksamkeit find Teilnahme der Schüler 
beschäftigen (Wochenziel), herausgehoben und in der Form 
des Lehrgesprächs als ein mehr oder minder abgerundetes 
Bild zum geistigen Eigentum der Klasse gemacht werden. 
Die Ergebnisse dieser Behandlung, am Schluß der Stunde 
in ein paar kurzen Sätzen mündlich zusammengefaßt, finden 
dann im Lehrbuch die erwünschte Ergänzung und bieten 
ihrerseits für das häusliche Nachleseu des besprochenen Ab¬ 
schnittes die stützenden und klärenden Richtlinien. 
Wird die Stunde etwa mit einer dichterischen Darstellung 
des ganzen Gegenstandes oder eines seiner Teile (etwa aus 
Binz oder Meyer) oder aber mit der Vorzeigung und Er- 
klärung künstlerischer Darstellungen, wie sie heute auch deu 
ärmlicher ausgestatteten Schule zugänglich sind, zum Abschluß 
gebracht, so finden auch Gemüt und Phantasie die ihnen 
angemessene Nahrung, und es wird die dargebotene Thatsache 
oder ein geschichtliches Gesetz alsbald in eine Menge von Vor- 
stellnngsketten eingefügt und damit vielseitiger und unver¬ 
lierbarer dem Gedächtnis und dem Wissen des Schülers 
einverleibt, als auf dem altherkömmlichen mechanischen 
Wege des Einpaukens, das den berühmten „Schnlsitck" füllte 
oder auch nicht füllte. 
So habe ich es zum Beispiel absichtlich vermieden, die 
Kaiser und Fürsten in Reih und Glied tabellarisch auf-
	        
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