r
46 Geschichte der Griechen.
in rechtlosester Weise nur deshalb hinrichten zu lassen, um ihre Güter
einziehen und sich bereichern zu können, und nur wenige Bürger
Athens gab es, die, wie Sokrates, mutig genug waren, den Tyrannen,
welche ihnen zumuteten bei willkürlichen Verhaftungen ihre Helfers-
Helfer zu sein, den Gehorsam zu verweigern.
Thrasybul. Da machten die athenischen Verbannten, welche in Theben
t03, eine Zuflucht gefunden hatten, von dort einen Einfall in Attika.
Sie besetzten unter Führung des Thrasybulus eine kleine Festung
im attischen Gebirge und nahmen von dort aus, nachdem sich ihre
Zahl vergrößert hatte, den Piräus. Es fand ein Kampf statt, in
dem der herrischste und grausamste der dreißig, Kritias, fiel. Da
war es der spartanische König Pausanias, welcher zwischen den
Parteien den Frieden vermittelte. Die dreißig verloren ihre Macht-
stellung; es wurde wieder eine demokratische Verfassung eingerichtet
und zugleich eine Amnestie verkündet, d. h. allen Bürgern für politische
Vergehen Verzeihung zugesichert. So traten allmählich wieder einiger-
maßen friedliche und ruhige Zustände unter der Bürgerschaft ein.
Tod des An Parteiungen fehlte es freilich auch seitdem nicht. Und
Sokrates. Parteihaß fiel auch ein Mann zum Opfer, der sein ganzes
Leben hindurch in selbstlosester Weise seinem Volke gedient hatte,
der lehrend durch die Straßen Athens geschritten war und mit jedem,
der ihn hören wollte, gern ein Gespräch über das, was gut, was
gerecht, was fromm ist, begonnen hatte, der damals siebzigjährige
Sokrates. Er wurde angeklagt, daß er die Jugend verdürbe und
einen neuen Götterglauben lehre, und von dem Volksgericht zum
Tode verurteilt. Noch aus dem Kerker hätte er mit Hilfe eines
Freundes fliehen können; er aber wollte, auch da er zu Unrecht
verurteilt worden war, den Gesetzen des Staates nicht ungehorsam
sein, und nachdem er den letzten Tag mit seinen Freunden in Ge-
sprächen über die Unsterblichkeit der Seele verbracht hatte, nahm er
den dargereichten Giftbecher, trank ihn aus und starb, eine der größten
Gestalten des Altertums.
Der Zug der Zehntausend; Agesilaus von Tparta.
§43. Der Zug der Zehntausend. Der persische Statthalter von
Cyrus. Kleinasien, der Prinz Cyrus, den wir den jüngeren Cyrus zu nennen
pflegen, der Verbündete der Spartaner, hatte den ehrgeizigen Plan
gefaßt, seinen älteren Bruder Artaxerxes, der vor wenigen Jahren
den Thron bestiegen hatte, zu stürzen und sich selbst die spitze Mütze,
die Tiara, welche die Perserkönige trugen, auf das Haupt zu setzen.
Er sammelte zu diesem Zwecke ein starkes Heer, das zum größten
Teil aus Asiaten bestand, dessen Kern aber 13000 schwergerüstete
Griechen waren, welche für Sold in seine Dienste getreten waren;
I