Full text: Deutsche Geschichte der Neuzeit (Bd. 3)

Napoleons russischer Feldzug 1812. 85 
Zum Dienste der Volkserziehung wurde zu Berlin auf Betreiben 
Wilhelms v. Humboldt 1810 eine Universität gegründet, durch Jahn 
wurden Turnplätze geschaffen. Mehr noch als die geistige und körperliche Aus- 
bildung that dem Volk eine sittliche Wiedergeburt not, und dasür wirkten der 
Philosoph Fichte, der Theologe Schleiermacher und der Dichter Arndt. 
In Königsberg wurde von ernsten Paterlandssreunden der Tugendbund 
gestiftet./ 
Napoleons Niederlage in Rußland. 
1812. 
Im Jahre 1810 stand Napoleon auf dem Gipsel seiner Macht und 
seines Glückes. Er vermählte sich, nachdem er seine erste kinderlose Ehe 
gelöst hatte, mit der Tochter des Kaisers Franz I., Marie Luise. Holland, 
wo sein Bruder Ludwig aus Mitleid mit dem durch die Kontinentalsperre 
ruinierten Lande die Krone niederlegte, vereinigte er „als Anschwemmungs- 
land sranzösischer Flüsse" mit Frankreich. Ebenso fand er es „durch die 
Umstände geboten," das deutsche Küstengebiet nördlich von der Lippe bis 
zur Trave seinem Kaiserstaat einzuverleiben. Seinem Söhnchen (Napoleon II.) 
verlieh er schon in der Wiege den Titel König von Rom, ähnlich wie einst 
die deutschen Kaiser ihren Erstgeborenen zum römischen König wählen ließen. 
Englands Trotz vermochte er allerdings nicht zu brechen, und der 
spanische Krieg bildete für ihn eine offene Wunde. Den ersten tödlichen 
Stoß aber erlitt seine Macht in Rußland. Die Freundschaft mit Alexan- 
der I. war längst erkaltet. Napoleon zürnte, weil er vergeblich um eine 
russische Prinzessin geworben hatte und weil Rußland der Kontinentalsperre 
überdrüssig wurde; Alexander I. war gereizt, weil Napoleon Oldenburg, 
das Herzogtum seines Oheims, eingezogen hatte und mit der Wiederauf- 
richtung eines Königreichs Polen drohte. Schon 1811 wurde aus beiden 
Seiten gerüstet. Österreich unterstützte Napoleon mit 30000 Mann, 
Preußen, das faft froh fein mußte, von Napoleon als Bundesgenosse an¬ 
genommen zu werden, stellte ihm 20000 Mann. 
Napoleon brachte ein Heer von 600000 Mann zusammen, darunter 1812 
mehr Deutsche, Italiener und Polen als Franzosen. Zur Zeit der Sonnen- 
wende überschritt er mit der „großen Armee" den Niemen. Die Größe 
des Heeres, die Unwirtlichkeit des Landes und Regengüsse, abwechsend 
mit glühender Hitze, nötigten ihn schon in Wilna und in Witebsk zu längerem 
Aufenthalt. Die Russen, die nur 140000 Mann bereit hatten, führten den 
Krieg notgedrungen nach Parther Art und zogen sich immer weiter zurück. 
Endlich vor Smolensf gaben sie Napoleon die ersehnte Gelegenheit zu 
einer Schlacht. Napoleon gewann den Sieg, und noch einmal in der
	        
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