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Römisch-germanische Zeit.
Deutschlands und fetner Bewohner. Zwar finden sich schon in Casars Schriften
wertvolle Nachrichten über Deutschland, ein befriedigendes Bild gibt aber erst das
herrltche Büchlein des Tacitus, die im Jahre 98 verfaßte Germania.
Das Land der Deutschen machte auf die durch die Annehmlichkeiten
des Südens verwöhnten Griechen und Römer einen ungünstigen, ja abschreckenden
Eindruck. Klagen über undurchdringliche Wälder, unwegsame Sümpfe und
reißende Ströme, über das rauhe, regnerische find stürmische Klima kehren in
allen Berichten wieder. Sumpfig war besonders der Nordwesten '), stürmisch
der Südosten; Waldreichtum herrschte in Mitteldeutschland vor, wo sich nach
Cäsar der hercynische Wald neun Tagereisen in die Breite und über sechzig
Tagereisen in die Länge ausdehnte. Doch fing man allerorts den Urwald
zu lichten an, um Raum für Wiesen und Äcker zu schaffen.
Landeserzeugnisse: Immer mehr Felder wurden mit Getreide
oder Flachs bestellt, doch überwog noch bei weitem die Viehzucht. Rinder,
mehr durch Menge als durch Schönheit ausgezeichnet, Pferde, Schafe und
Ziegen weideten auf den Wiesen. Die Schweine fanden reichliche Nahrung
in den Elchen- und Buchenwäldern; der Nadelwald und die Heide ernährte
viele Bienenschwärme. Die vornehmste Jagdbeute war der Ur, der Wisent
und der Elch; Bär und Biber lieferten kostbare Pelze. Wenig ausgebeutet
waren die Mineralschätze des Landes. Selbst an Eisen war Mangel, dagegen
war Salz in Fülle vorhanden. Der älteste und geschätzteste Handelsartikel
war Bernstein von der Ostseeküste2).
Die Bewohner: So fremd und feindlich sich auch die deutschen 10
Stämme, deren Tacitus etwa vierzig aufzählt, gegenüberstanden, so bewahrten
sie doch das Gefühl der Zusammengehörigkeit. Deutlicher als eine alte
Sage3) sprachen für die Einheitlichkeit und Reinheit der germanischen Rasse
die allen gemeinsamen blauen Augen, die rotblonden Haares und ihre
gewaltige Körpergröße. Das Gesicht umrahmte ein Vollbart, das Haupthaar,
x) Daher mußten die Römer dort auf weite Strecken Dämme (pontes longi)
anlegen.
2) Schon den Phöniziern bekannt. Der Bernstein lockte den Kaufmann Pytheas
aus Massilia um 330 v. Chr. an die Küsten der Nordfee; ihm verdanken wir die
ältesten authentischen Nachrichten über Deutschland.
3) Als ihren gemeinsamen Ahnherrn bezeichneten die Germanen den Gott Xutfto;
dessen Sohn Mannus habe drei Söhne gehabt; darnach hießen die am Meer wohnenden
Germanen Jngv äonen, die mittleren Herminonen, die übrigen Jstvaonen.
4) Blonde Haare wurden durch die Germanen bei den vornehmen Römerinnen
Modesache. Heutzutage hat in ganz Deutschland nur , in Bayern sogar nur
mehr 1/5 der Bevölkerung blonde Haare, blaue Augen und helle Hautfarbe.