Full text: Das Mittelalter (Theil 2)

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Ferner sorgte Alfred für die Bildung seines Volkes und leuchtete auch 
darin wieder als das erhabenste Muster eines guten Königs seinem Volke 
voran. Vor allen Dingen hielt er auf seine Muttersprache, das Angel¬ 
sächsische, und sorgte dafür, daß die Jugend seines Volkes die alten Helden¬ 
lieder lernte und sich am Gesänge derselben erfreute. Daun berief er die 
ausgezeichnetsten Männer seiner Zeit zu sich und sie kamen willig und gern 
zu dem Könige, der wie kein anderer die Wissenschaften ehrte und liebte. 
Alfred erlernte noch in seinem 36sten Lebensjahre die lateinische Sprache, 
um aus den guten Schriften der Römer seinem Volke das Zweckmäßigste 
auswählen und in der Muttersprache vorführen zu können. Er stiftete 
Schulen, wie und wo er nur konnte, und auch die Söhne der Adeligen 
mußten Lateinisch lernen. In einem Briefe, den Alfred an die Bischöfe 
Englands schrieb, als er ihnen seine Uebersetzung der Reise des heiligen 
Gregor schickte, heißt es: „Die Gelehrsamkeit war bei meiner Thronbe¬ 
steigung so in Verfall gekommen, daß es nördlich vom Humberflusse wenig 
Priester gab, welche die Gebete so weit verstanden, daß sie ihre Bedeutung 
in angelsächsischer Sprache wiedergeben konnten, oder welche überhaupt 
einen lateinischen Satz übersetzen konnten. Auch im Süden waren nur 
sehr Wenige. Gott dem Allmächtigen sei aber Dank, daß es jetzt doch 
einige Bischöfe gibt, die sogar im Stande sind, selbst Latein zu lesen!" 
9. Other aus Norwegen. 
Auch in andern Dingen wirkte Alfred für die Bildung seines Volkes. 
Einmal kam zu ihm ein Alaun, Naincns Other, und erzählte dem Könige, 
daß er im nördlichen Theile des Landes Norwegen wohne, dort wo das 
Eismeer die norwegische Küste im Westen bespült. Er beschrieb dem Könige 
das Land, wie es öde und verlassen sei und wie nur hier und da zerstreut 
einige Finnen wohnten, die sich mit Jagd und Fischerei beschäftigten. Er 
selbst habe aber einmal erforschen wollen, wie weit sich das Land noch 
nach Norden und Osten ausdehne, und darum sei er nordwärts gefahren, 
wobei zur rechten Hand ihm immer Land geblieben sei. Dann aber habe 
er wieder abwarten müssen, bis der Wind von Nordwest geweht habe, und 
zuletzt habe er völligen Nordwind haben müssen. Alsdann habe er einen 
großen Fluß gesehen, der sich dort in's Meer ergieße; aus Furcht vor den 
Anwohnern habe er jedoch nicht gewagt, diesen Fluß hinaufzuschiffen; er 
habe die Fahrt nur eingeschlagen, um Walroßzähne zu holen. Solche 
brachte er auch dem Könige Alfred zum Geschenk. Other war ein sehr 
reicher Mann in seiner Heimath; denn er besaß 600 Rennthiere und unter 
ihnen sechs Lockrennthicre zum Fangen der wilden; aber nur zwanzig 
Rinder, zwanzig Schafe und zwanzig Schweine. Dagegen bestand sein 
hauptsächlicher Reichthum in dem Tribute, den ihm die Finnen bezahlten, 
nämlich in Pelzwerk, Flaumfedern der Vögel, Walfischbarden und Stricken, 
die aus der Haut der Walfische und Seekälber gemacht wurden. 
Dieser Bericht Other's von seiner Heimath war dem König Alfred 
sehr lieb, und als er wieder ein lateinisches Geschichtsbuch in's Angelsäch- 
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