174 Das Heroenzeitalter. 
fast alle nieder, indem er wähnte, edle Danaer umzubringen. Einen fetten 
Widder aber hielt er für Odysseus, nahm ihn mit in sein Zelt, hing ihn 
an einer Säule auf und geißelte ihn. Jetzt nahte ihm Athene, nahm den 
Wahnsinn von seinem Geiste, und den Helden überfiel Trübsinn über seine 
ruchlose That, die ihn vor dem gamen Griechenheere entehrte. Er beschloss 
sich zu tödten. Vergebens suchte ihn seine geliebte Gattin Tekmessa mit 
ihrem kleinen Söhnchen Enrysäkes aus dem Arme unter Flehen davon ab- 
zuhalten. Unter einem Vorwande wusste er sie zu entfernen, Pflanzte das 
ihm von Heftor einst geschenkte Schwert, mit dem er seine Unthat ver- 
richtet hatte, in seinem Zelte auf und nachdem er zu Zeus gefleht, dass 
er seinen Bruder Teukros herschicke, damit derselbe seine Gattin und 
sein Söhnchen schütze und seinen Tod an den Atriden räche, stürzte er sich 
in das ausgerichtete Schwert. 
Die Atriden suchten dem Teukros die Bestattung des Ajax, der sich 
in seinem Wahnsinne so schwer an ihnen vergangen hatte, zu verwehren, 
aber Odysseus trat jetzt selbst für ein ehrenvolles Leichenbegängnis des so 
schwer zu beklagenden Helden ein und versprach dem Teukros seinen Schutz, 
zog sich jedoch aus dessen Bitte von der Leiche des ihm feindlich Gestorbe- 
neu zurück. 
Neoptölemos. 
Nun zwang Odysseus den gefangenen Priamossohn Helen os, der 
gleich seiner Schwester Kassandra die Gabe der Weissagung besaß, zu offen- 
baren, was er über das Schicksal Troja's wusste und dieser erklärte, die Stadt 
könne von den Griechen nur dann eingenommen werden, wenn des Achilleus 
Sohn Pyrrhos, auch Neoptölemos genannt, von Skyros und 
Philoktet von Lemnos geholt würden. Sogleich wurden Odysseus und 
Diomedes abgeschickt, den jungen Achilleussohn zu holen. 
Unterdessen erhielten die Trojaner wieder Hülfstruppen aus Mysien 
unter den Telephossöhnen. Machaon, der heilkundige Asklepiossohn, fiel 
in der Schlacht und in jedem Kampfe siegten die Trojaner. Da kamen 
Odysseus und Diomedes mit dem jungen Neoptölemos, der bereitwillig 
den Großvater und die Mutter verlassen hatte und den Helden nach Troja 
gefolgt war. Er legte sofort die Waffen feines Vaters an, die ihm Odysseus 
gab, und stürzte in die Schlacht, und die Griechen trieben zum ersten Male 
wieder siegreich die Trojaner zurück. 
Philoktetes. Das Palladion 
Neoptölemos, der seinem Bater unendlich glich, brachte wieder 
siegreiche Tage für die Griechen. Unter seiner Hand fiel des Telephos 
Sohn. Aber Kalchas bestand darauf, dass auch Ph ilokte tes von Lemnos 
geholt werde. Zu diesem Zwecke segelten dann auch Odysseus und Neop- 
tölemos nach der Insel. Der letztere hatte sich, obgleich sehr ungern, von 
Oryffeus zu einer Täuschung des einst so schmählich betrogenen Helden be- 
reden lassen. Er erwartet? nun, auf Lemnos angekommen, den abwesenden 
Philoktet in dessen ärmlicher Höhle. Der kranke Held hatte 9 Jahre lang 
ein mühseliges Leben gefristet an dem einsamen Strande, denn jedes vorüber- 
segelnde Schiff verweigerte ihm seiner Krankheit halber die Aufnahme. Als 
Philoktet, der sich mühsam Nahrung gesucht hatte, zurückkehrte, erzählte 
ihm Neoptölemos, er habe zürnend das Lager der Griechen vor Troja ver-
	        
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