Landwirtschaftliche Verhältnisse zur Zeit Karls des Großen. 109
Kammergut von den Sendgrafen auf ihrer Besichtigungsreise befunden wurde.
Danach bestanden diese nicht verliehenen Kammergüter aus deu kaiserlichen
Schlössern und Palästen, aus Kirchen und Kapellen liebst ihrem Zubehör,
aus Landhäusern, Nebengebäuden für das Hofgesinde, aus größeren und
kleineren Landgütern, welche felbstäudig für Rechnung des Kaisers verwaltet
wurden, aus Höfen und Häuslerstellen, die an freie oder hörige Leute gegeu
Dienste und Abgaben ansgethan waren, in wüsten Hofstellen, vereinzeltem
Rodeland, in großen Bann- und Wildforsten, in Weideland, Weinbergen,
Fischereien, Gestüten, Schäfereien, in Fabrikhäusern, worin unfreie Männer
und Weiber Waffen und Kleidung für den Hof fertigten, in Bergwerken,
Salinen und Eisenhütten, sowie in vielen Geld- und Naturalgefällen ver¬
schiedener Art.
Kammergüter und Gefälle wurden durch Beamte aus dem Gefolge
verwaltet, die zwar vorzugsweise Reutbeamte waren, aber auch die Gerichts¬
barkeit über die auf kaiserlichem Grund und Boden angesiedelten Freien
ausübten. Beschwerden gegen ihre Entscheidungen konnten nur au den
kaiserlichen Hof gebracht werden. Gewöhnlich verwaltete ein folcher Richter
einen größeren Güterverband, und dann waren ihm für die Bewirtschaftung
der Nebengüter sogenannte Villiei auf den kaiserlichen Gütern, ebenfalls
freie Leute, zugeordnet, und außerdem ein Stellvertreter (Viearins) beige¬
geben, welcher in Abwesenheit des Richters dessen Geschäfte versah, sonst
aber die Wirtschaft auf dem Hanptgnte leitete.
Die unter dieser Verwaltung deu einzelnen Wirtschaftszweigen vorge¬
setzten Bediensteten waren Leibeigene und zwar entweder Bepfründete, d. h.
solche, die ihren Unterhalt auf dem Gute selbst in Wohnung, Kleidung,
geräuchertem Fleisch, Bier uud andern Naturalien erhielten, oder angesiedelte
Leute, denen dann für die Verrichtungen ihres Amtes die fönst von den
Hintersassen zu leistenden Handdienste erlassen wurden. Als dergleichen
Unterbeamte finden wir Meier, welche vorzugsweise die Feld- uud Wiesen¬
arbeiten zu beaufsichtigen hatten, Förster, Fohlenwärter, Kellermeister und
Vögte.
Die Arbeit selbst wurde teils von Knechten und Mägden ausgeführt,
welche auf dem Hofe ernährt wurden, teils von den zu Frondiensteil ver¬
pflichteten angesessenen Leibeigenen, teils von mittelfreien oder auch persön¬
lich ganz freien Kolonen, welche von ihren Besitzungen einzelne Dienste, wie
etwa eine Anzahl Morgen zu ackern, zu mähen, einzufahren, zu leisten hatteil.
Freie, welche eine solche Verpflichtung auf ihren Hos übernommen hatten,
ließen diese Arbeiten jedenfalls« durch ihre Knechte und Mägde ausführen.
Ein Kapitulare über die königlichen Güter (de villis) enthält ganz vor¬
treffliche Vorschriften für die Beamten über ihr eigenes Verhalten und die
Behandlung ihrer Untergebenen, über den Betrieb der einzelnen Wirtschafts¬
zweige und über die Lieferungen an den kaiserlichen Hof. Ein Kapitulare
von 813 wiederholt meist die in ersterem enthaltenen wirtschaftlichen An-