Sigmund. 1411 —1437.
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Rom. ein französischer in Avignon, und beide sprachen gegenseitig über
sich und ihre Anhänger den Bann aus. Nachdem diese Kirchenspaltung
dreißig Jahre gedauert hatte, setzte ein Konzil zu Pisa beide Päpste ab
und wählte einen neuen; aber dadurch wurde die Lage noch schlimmer,
da jene beiden nicht abdankten. Es gab nunmehr drei Päpste. Drei Päpste
Dazu kam, daß das päpstliche Regiment überhaupt damals viele
Mißstände aufwies. Wenn die Päpste früher den deutschen Königen öfter
Simonie vorgeworfen hatten, so übten sie jetzt selbst den Verkauf geistlicher
Stellen für Geld in großem Umfange. Der Ablaß ferner, d. h. der an
die Verrichtung guter Werke geknüpfte Nachlaß zeitlicher Sündenstrafen,
wurde in steigendem Maße von ihnen als Geldquelle benutzt. Über diese
und andere Mißbräuche entstand bei vielen denkenden und nationalgesinnten
Männern ein tiefer Unwille; immer weiter verbreitete sich das Verlangen
nach einer „Reform der Kirche an Haupt und Gliedern". So s°jSnfl
sah denn das Konzil, das im Jahre 1414 unter kaiserlichem Schutze in «rf£=
Konstanz zusammentrat, als seine Aufgabe einerseits die Beseitigung der
Kirchenspaltung, andrerseits die Reform der Kirchenverfaffnng an.
Aber es fand noch eine dritte Aufgabe vor; es mußte zu den Lehren %0$ann
Stellung nehmen, die damals der böhmische Priester und Gelehrte Johann ^
Huß aufstellte und die sich nicht nur auf die Kirchenverfaffnng, sondern
auch auf die kirchliche Lehre bezogen. Er hatte, beeinflußt von den
Schriften des englischen Theologen John Wiclif, den Ablaß und die
zunehmende Verweltlichung der Kirche, aber auch das Papsttum selbst und
einige wichtige Lehren der Kirche als dem Evangelium nicht entsprechend ange-
griffen; insbesondere hatte er gefordert, daß beim heiligen Abendmahl auch
den Laien und nicht nur den Priestern der Kelch gereicht werde. Huß hatte in
Böhmen viel Anhang gefunden. Jetzt wurde er vor das Konzil gefordert.
Das Konstanzer Konzil war wohl die glänzendste Versammlung Das Konz«
geistlicher und weltlicher Fürsten im Mittelalter. Einer der drei Päpste, Konstanz
Johann XXIII., hatte sich eingefunden, ferner viele Kardinäle, Erzbischöfe, ^1418^
Bischöfe und andere Prälaten, dazu die Menge der weltlichen Fürsten
und Würdenträger. Der Reichstag, der gleichzeitig stattfand, wurde da-
durch besonders bedeutend, daß Sigmund im Jahre 1415 die Mark Belehnung
Brandenburg, die er einst geerbt, dann aber an seinen Vetter Jobst
von Mähren verpfändet hatte und in der zu jener Zeit völlige Zerrüttung Branden-
und Gesetzlosigkeit herrschte, nebst der Kur an den Burggrafen Friedrich VI. 1415
von Nürnberg verlieh; am 18. April 1417 fand auf dem Marktplatz
zu Konstanz die feierliche Belehnung statt. So kam die Mark an die
Hohenzollern.
Neubauer. Lehrbuch der Geschichte H,1. ig.Aufl. 7