Full text: Geschichte des Mittelalters (Teil 2,1)

8 
Deutsche Geschichte bis zur Gründung des nationalen Staats 919. 
bcISmg Der Volksversammlung, dem Ding, das bei Neu- oder Voll- 
mond zusammentrat, und an dem alle freien Männer in Waffen teilnahmen, 
stand die höchste Gewalt zu; sie beschloß über Krieg und Frieden und 
andere allgemeine Angelegenheiten. Nur einige ostgermanische Stämme 
wurden von Königen beherrscht. Bei den übrigen Pflegte man, wenn 
Krieg ausbrach, Herzöge zu wählen, die das Aufgebot anführten. An 
der Spitze der einzelnen Gaue standen Häuptlinge oder Fürsten, welche 
die wehrfähige Mannschaft des Gaues im Kampfe befehligten und die 
Gauversammlungen, wo man Recht sprach, leiteten. Kampferprobten und 
berühmten Häuptlingen schlössen sich gern jüngere Leute an; sie wurden 
ihre Genossen im Kriege tote im Frieden, beim Gelage tote im Ernst 
der Schlacht, ein Gefolge, das von dem Gefolgsherrn seinen Unterhalt 
und Geschenke aus seinem „Hort", d. h. Schatz, erhielt, dafür ihm aber 
durch einen Eid zur Treue bis in den Tod verpflichtet war. 
Stünde Es gab drei Stände, den Adel, die Freien und die Unfreien. 
Dem Adel gehörten meist die Häuptlinge an. Die unsteten Sklaven waren 
wohl meist Kriegsgefangene oder deren Nachkommen; sie erhielten von 
ihren Herren ein Stück Land zum Bebauen, von dem sie ihnen einen 
Zins zu leisten hatten. 
charatter Die Germanen waren damals ein Volk von Kriegern. Die 
kriegerischen Eigenschaften der Tapferkeit und Todesverachtung gehörten 
zu ihren vornehmsten Tugenden, dazu die Treue, die der Gefolgsmann 
dem Gefolgsherrn, der Geschlechtsgenosse dem Geschlechtsgenossen erwies. 
Sie legte dem einzelnen die Pflicht der Blutrache auf, d. h. die Pflicht, 
die Ermordung eines Angehörigen durch den Tod des Mörders oder 
eines seiner Verwandten zu rächen, falls er den Frevel nicht durch Er- 
legung des „Wergeldes", einer in Rindern bestehenden Buße, gesühnt 
hatte. Neben der Treue feiern die römischen Schriftsteller besonders die 
derben, aber einfachen und unverdorbenen Sitten der Germanen, ihr 
inniges Familienleben, die Verehrung, welche sie der Frau entgegen- 
brachten; sie tadeln vor allem ihre oft hervortretende Unmäßigkeit beim 
Gelage und ihre Neigung zum Würfelspiel. 
§ 7, Der Götterglaube der Germanen. Ihren Göttern errichteten 
die Germanen keine Tempel, sondern beteten sie in uralten, heiligen 
Hainen an; auch machten sie von ihnen keine Bilder. Sie opferten ihnen 
Feldstüchte und Tiere, besonders Rosse, aber auch Kriegsgefangene. Sie 
verehrten einen Gott des Himmels und des Sturmwinds, Wodan 
(Wuotan). Er ist der Allvater und Götterkönig. Einäugig, mit breitem
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.