Full text: Geschichte des Mittelalters (Teil 2,1)

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Deutsche Geschichte bis zur Gründung des nationalen Staats 919. 
hinterlassen. Er war ein Mann von mächtigem Körperbau, festem Gang, 
schönem, grauem Haar und heiterem, gütigem Antlitz. Er erstellte sich 
bis in sein hohes Alter einer guten Gesundheit; durch Reiten, Jagen 
und Schwimmen härtete er den Körper ab; in Speise und Trank war 
er mäßig. Er kleidete sich nach fränkischer Weise und konnte kaum je dazu 
vermocht werden, römische Kleidung anzulegen; seine Gewänder ließ er 
sich von den Frauen seiner Familie anfertigen. Er war ein Mann von 
gewaltiger Willenskraft und konnte in seinem Zorne furchtbar sein. Aber 
in ihm wohnte auch ein tiefes, inniges, deutsches Gemüt; er war ein 
zärtlicher Vater seiner Söhne und Töchter, die er ungern von sich ließ, 
ein guter Geselle seiner Freunde, freigebig und gütig gegen Fremde. Er 
war hochbegabt und konnte gut reden. Auch erfüllte ihn ein starker Drang 
nach Bildung; noch in höheren Jahren wünschte er nachzuholen, was 
man früher an ihm versäumt hatte, versuchte das Schreiben zu lernen 
und ließ sich in der Grammatik unterrichten. Mit seinen Freunden be- 
sprach er sich über gelehrte Dinge; selbst beim Mahle ließ er sich gern 
vorlesen. Dabei hatte er auch Sinn für die Heldensagen des deutschen 
Volkes und ließ sie sammeln; leider ist diese Sammlung unserer Zeit 
nicht erhalten geblieben. 
„Karls § 37. Verwaltung und Gesetzgebung. Karl pflegte auf einer seiner 
Salt6 Pfalzen zu residieren, etwa zu Ingelheim oder Nimwegen, am liebsten 
in Aachen, der Stadt der warmen Quellen. Seine königliche Gewalt war 
fast unbeschränkt. Er war der oberste Kriegsherr, der über Krieg und 
Frieden entschied, das Aufgebot berief und befehligte. Er war Gesetz- 
geber, und zwar einer der größten Gesetzgeber des Mittelalters; er ließ 
seine Gesetze von den Männern seiner Umgebung ausarbeiten und legte 
sie dann dem Maifeld, der jährlich zusammentretenden Heeresversamm- 
lung der Franken, vor, wo sie ohne Widerspruch angenommen wurden. 
Er war der oberste Richter des Frankenreichs, der sich oft die streitenden 
Die Parteien vorführen ließ und selbst Gericht hielt. Er ernannte die Staats- 
®camten Barnten des Frankenreichs: seine Berater, die seine Person umgaben, 
und die Hofbeamten; die Grafen, welche an der Spitze der Grafschaft 
standen, Recht sprachen und das Aufgebot führten; die Markgrafen, 
welchen die Grenzwehr übertragen war und die deshalb einen größeren 
Landstrich verwalteten; dazu die Königsboten, welche, jedesmal ein 
Laie und ein Geistlicher, im Auftrage des Königs das Land bereisten 
und die Rechtsprechung der Grafen, die Amtsführung der Bischöfe und 
Priester prüften und Klagen entgegennahmen. Eine solche Aufsicht war
	        
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