Tie Neuzeit.
IV. Das Zeitalter der religiösen Kämpfe.
1519 — 1648.
Der Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit.
Tie Kennzeichen der neuen Zeit.
§ 103. Es kommen verschiedene Gründe zusammen, die uns be-
rechtigen, die letzten Jahrzehnte des fünfzehnten Jahrhunderts und die
ersten des sechzehnten als die Scheide zweier Zeitalter anzusehen. Damals
wurden durch kühne Seefahrer neue Meereswege und neue Länder
entdeckt, weite Fernen öffneten sich auf einmal dem menschlichen Blick, der
Welthandel schlug neue Bahnen ein. Ferner traten wichtige Änderungen
im Heerwesen und im Zusammenhang damit im Staatswesen ein.
Das Mittelalter war die Zeit des Rittertums und des Lehnswesens ge-
wesen; an ihre Stelle traten jetzt das Söldnerwesen und der Absolutismus,
die unumschränkte Gewalt des Königtums, welches in andauerndem Kampfe
den Lehnsstaat allmählich beseitigte. Von größter Bedeutung ist sodann
die neue Strömung im geistigen Leben, die wir Humanismus nennen;
sie traf zeitlich zusammen mit der Erfindung der Buchdruckerkunst, der
wir eine gewaltige Ausdehnung der geistigen Bildung verdanken. Mit
dem Humanismus steht in innerlichem Zusammenhang die wunderbare
Blüte der Malerei, Bildhauerei und Baukunst, die in jene Zeiten fällt;
wir bezeichnen sie als Renaissance, ein Wort, das ursprünglich Wieder-
geburt des klassischen Altertums bedeutet. Das gesamte Volksleben end-
lich wurde von der religiösen Bewegung der Reformation ergriffen:
neue, nationale Kirchen entstanden neben der katholischen Kirche, die bis¬
her alle Christen umsaßt hatte, und diese selbst erfuhr eine Neugestaltung.
Neubauer, Lehrbuch der Geschichte II, 2. 19. Aufl. 1