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Zweiter Abschnitt. Dritter Zeitraum.
brachte er den Meeresgöttern in goldner Schale ein Trankopfer dar
und fuhr hinüber. Wie er sich der asiatischen Küste näherte, schleu¬
derte er von hohem Bord seine Lanze gegen die asiatische Erde zum
Zeichen, daß er von derselben Besitz ergreife, und sprang als Erster
an das fremde Land. Zunächst besuchte er die Stätte Trojas, opferte
daselbst Zeus und der helmgeschmückten Pallas Athene und feierte
alsdann in Wettkämpfen das Andenken seines Vorbildes Achilleus
und der übrigen Helden des trojanischen Krieges. Dieser Akt der
Pietät that der Ehrliebe und dem Nationalgefühl der anwesenden
Griechen wohl und entzündete den Kampfesmut seiner Mazedonier.
Jetzt wandte er sich dem persischen Heere zu, das die Statthalter
Vorderasiens am Gramkus 334 aufgestellt hatten. Hier kam es
zur ersten Schlacht. Als Alexander mit seinem Heere an dem gegen¬
überliegenden Ufer ankam, widerrieten seine Feldherrn den Durchgang
durch den Fluß; doch Alexander rief entschlossen: „Da müßte sich
ja der Hellespont schämen!" und sprengte in die Fluten. Am jen¬
seitigen Ufer angekommen, drang er in die feindliche Reiterfchar ein,
kam aber in große Gefahr. Zwei persische Feldherrn, die ihn an
feinem glänzenden Helm mit dem wehenden Federbufch erkannten,
eilten gegen ihn heran. Alexander nahm den Kampf mit beiden auf,
erhielt aber plötzlich einen Hieb aus den Kopf, daß der Helm zer¬
sprang. Er drang aus den Perser ein, der ihm den Hieb versetzt
hatte; da holte der andere aus, um den Macedonierkönig das Haupt
zu spalten. Zum Glück war Alexanders Feldherr Klitus eben zu
ihm durchgedrungen; mit gewaltigem Hieb schlug er dem Perser von
hintenher Arm und Schwert nieder und rettete dadurch feinen König,
während dieser feinen Gegner niederstieß. Die Perser wurden völlig
besiegt.
Nach diesem Siege stand Alexander ganz Kleinasien offen.
Er zog in Sardes ein, wo er die alte lydifche Landesordnung
wieder herstellte; die griechischen Küsten st ädte, denen gegen¬
über er mit Nachdruck seine griechische Abstammung geltend machte,
öffneten ihm ihre Thore und begrüßten ihn als ihren Befreier von
dem Joche der Perser. Nachdem er sich durch Einnahme der West-
und Südküste Kleinasiens den Rücken gedeckt und eine sichere Ver¬
bindung mit Griechenland hergestellt hatte, wandte er sich nach dem
Innern Kleinasiens, wohin ihm Parmenio mit einer Heeresabteilung
schon vorausgegangen war, und überwinterte in Gördium, der
Hauptstadt Phrygiens. Hier stand auf der Burg von Alters her
ein Wagen des sagenhaften Königs Midas mit einem künstlich ver-