Full text: Geschichte des Altertums (Teil 1)

§. 4, 2. Die Inder: Staatswesen und Kultur. 
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und deshalb mit größter Geduld ertragen werden muß, ist die Ein¬ 
teilung des Volkes in Kasten, durch welche den Eingewanderten die 
Herrschaft gesichert wurde. Ursprünglich gab es vier Kasten: 
1) die Priester (Brahmanen), die als heilig und unverletzlich galten, 
während das größte Vergehen ihrerseits durch Geld oder Verbannung 
gesühnt werden konnte. Ihr Geschäft ist strenge Beobachtung der 
religiösen Pflichten und Gebräuche, Verrichtung des Gottesdienstes, 
Erklärung der Vedas (s. unten), Übung der Wissenschaften; doch 
können sie auch die Gewerbe der beiden folgenden Kasten betreiben. 
2) Die Krieger (Kschatrijas), mit der Verteidigung des Landes 
beauftragt; aus ihnen wurden die Könige gewählt. 3) Die Ge¬ 
werbetreibenden (Vaisjas), Ackerbauer und Handelsleute. 4) Die 
Sudras, besiegte Ureinwohner, bilden die dienende Klasse; sie sind 
von dem Lesen der Vedas ausgeschlossen und von den übrigen Kasten 
verachtet, aber nicht unrein. Durch Verheiratungen aus verschiedenen 
Kasten sind mehrere verachtete Mischkasten entstanden; am verachtet- 
sten aber sind die Parias, die dunkelfarbigen Nachkommen der 
nicht unterworfenen Ureinwohner, deren bloße Berührung den Reinen 
den größten Nachteil bringt. 
Indien ist im Altertum nie zu einem einzigen Reiche vereinigt 
gewesen; es bestanden stets verschiedene Herrschersitze, die oft mit 
einander in Feindschaft standen. In jedem einzelnen Reiche herrschte 
die starrste Gliederung, sodaß selbst das kleinste Dorf ein streng 
abgeschlossenes Ganzes bildete, wobei natürlich kein Gemeinsinn und 
keine Vaterlandsliebe aufkommen konnte. 
Buddha. Ein heftiger Kampf entstand, als der Königssohn 
Gautama, genannt Buddha (d. i. der Erweckte, f 543 v. Chr.), 
Stifter einer neuen Religion wurde. Er verwarf die Kasteneinteilung, 
verkündete die Gleichheit aller Menschen, forderte ein tugend¬ 
haftes Leben, Barmherzigkeit und Liebe gegen alle Geschöpfe, Selbst- 
entsagung und Bezähmung der eigenen Gedanken und lehrte, daß 
die Seele, wenn sie nach ihrer Wanderung und steten Übung in der 
Tugend den höchsten Grad der Vollkommenheit erreicht habe, in einen 
Zustand der Befreiung oder Seligkeit, des Nichtseins (Nirwana) 
eintrete. Von den Priestern seiner Lehre forderte er das Gelübde 
der Armut und Keuschheit; aber sie sollten sich nicht wie die Brah¬ 
manen als Büßer dauernd in die Einsamkeit zurückziehen, sondern 
unter das Volk treten und feine Lehre verkündigen. Da der Buddhismus 
ursprünglich keine Götter, überhaupt keine Gottheit lehrte, so wurde 
Buddha später selbst nebst allem, was er besessen, Gegenstand gött-
	        
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