Full text: Geschichte des Altertums (Teil 1)

§. 4, 2. Die Inder: Staatswesen und Kultur. 15 
und Gesprächen, die zu verschiedenen Zeiten in dasselbe eingeschoben worden 
sind. Am bekanntesten aus dem Epos ist die liebliche Erzählung von 
Nalas und Damajanti, welche mehrfach ins Deutsche übertragen 
worden ist. — Der Ramäjana schildert den Wandel des Rama, eines 
verbannten Königssohnes, der als die siebente Verkörperung des Vischnu 
die Bestimmung hatte, die Welt von einem bösen Riesenkönig zu erlösen, 
viele Thaten verrichtete, den Feind endlich bezwang und dadurch sein väter¬ 
liches Reich wieder gewann. 
Auf dem Gebiete des Dramas ist die Saküntala des Dich¬ 
ters Kalidäsa aus dem 3. Jahrhundert n. Chr. zu nennen, doch 
waltet darin das Phantastische vor und statt der Thaten bilden zarte 
Empfindungen den Inhalt der Dichtung. Auch die Tierfabel 
und das Tierepos finden sich vor; indische Fabeln und 
Märchen nahmen schon früh über Persien und Arabien den Weg 
nach Europa. 
Einzelne Zweige der Wissenschaften wurden ebenfalls gepflegt, 
so Grammatik, Astronomie und Heilkunde; die Algebra 
und unser zehnteiliges Zahlensystem stammen aus Indien 
und wurden durch die Araber dem Westen übermittelt. 
Der Handel wurde durch Anlegung von Handelsstraßen, 
Stapelplätzen und Hafenorten gefördert. Das Gewerbe blühte 
früh aus. Die Indier härteten Eisen zu Stahl, fertigten hochgeschätzte 
Metallarbeiten und Webereien in Wolle und Baumwolle. Die Aus¬ 
fuhr dieser Erzeugnisse nebst den Naturprodukten: Gold, Edelgestein, 
Perlen, Räucherwerk und Salböl, Sandelholz und Safran brachten 
dem Lande reichen Gewinn; aber sie erzeugten auch Prachtliebe und 
Verschwendung, welche dem sittlichen Leben des Volkes nicht zur 
Förderung gereichten. 
Die bildende Kunst der Inder weist eine große Zahl merk¬ 
würdiger Baudenkmäler auf. Die Anregung dazu gab die Verehrung 
der Reliquien Buddhas; später trug auch die Brahmareligion dem 
Kunstsinn Rechnung. Der Buddhareligion gehört die Form des T o p e 
an. Dieser besteht aus einem terrassenförmigen Unterbau, über 
welchem sich eine Kuppel, der Dagop, erhebt, und dient zur Auf¬ 
bewahrung der Buddhaheiligtümer. Der Brahmaismus schuf die 
Pagode, welche aus einem in zahlreichen Geschossen frei auf¬ 
steigenden Turm besteht, den eine Gruppe von Gebäuden, Kapellen, 
Sälen, Hallen, Gallerten rc. umschließt. Andere Bauwerke sind die 
Felsentempel, deren Zahl über tausend beträgt, mächtige, tief 
in Felsen gehauene Räume, mit auf schweren Steinsäulen ruhenden 
Deckengewölben und geschmückt mit phantastischem Bildwerk. Sie
	        
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