Full text: Lehrbuch für den erzählenden Geschichts-Unterricht an höheren Schulen

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3. Die Flur (Gemarkung) gehörte als Gemeinbesitz (All- 
inenb) der ans mehreren Höfen sitzenden Blntsgemeinde (Sippe), 
welche Bodennutzung und Weide alljährlich verteilte. Holz und 
Streu bot die gemeinsame „Mark", der Wald, welcher die Flur 
meilenweit umgrenzte. Auch Jagd und Fischfang gehörte allen. 
Als Wohnung bargen notdürftig zurechtgezimmerte Häuser, 
im Winter auch wohl unterirdische Höhlen den Freien und seine 
Gäste, die er jederzeit freundlich aufnahm und mit Kampfspielen 
und Waffentänzen ehrte. Die gekauften oder im Krieg erbeuteten 
Knechte wurden weit menschlicher behandelt als die Sklaven in 
Griechenland und Rom. Herren- und Sklavenkinder wuchsen 
ohne Unterschied in der freien Natur auf. Für Reinlichkeit und 
Abhärtung sorgten tägliche Flußbäder. Erst die Erwachsenen 
trennten sich nach Ständen. 
4. Der freie Jüngling erhielt in feierlicher Versammlung 
aus der Hand seines Vaters, eines Fürsten oder Verwandten 
die Waffen, die er nie wieder von sich legte. Fortan nahm er 
teil an den Volksversammlungen und Opferschmäusen, an Fehden 
und Kriegszügen und jagte hoch zn Roß, mit Rüden und Falken 
den Wolf und den Schelch, die zahlreich in den Wäldern hausten. 
Stolz brachte er die Bärenfelle heim und die Hörner des Auer- 
ochsen, die mit goldenem Beschläge bei den großen Trinkgelagen 
in der Halle kreisten. 
5. Aber des freien Germanen höchste Lust war der Krieg. 
Im Lederkoller, bald auch im geflochtenen Kettenhemd, unter 
dem Helm von Leder oder Blech zog der Heerbann des Gaues 
oder Stammes aus, die Grenze zu verteidigen oder besseres 
Wohnland zu erobern. Hundertschaft neben Hundertschaft in 
der Keilform des Eberkopfes geordnet, schritten die Geschlechter 
(Sippschaften) unter dem Vortritte des Häuptlings zum Sturm, 
ihre Götter und Helden preisend in weihevollem „Schildgesang", 
der von der Wölbung des vor^ den Mund gehaltenen Schildes 
siegverheißend wiederdröhnte. Ähnliche Lieder sangen sie daheim 
beim schäumenden Met. 
Die Führung des Heerbannes stand dem Herzoge zu, welchen 
die Freien in der Volksversammlung auf offener „Malstatt" ge- 
wohnlich aus den angesehensten Heldengeschlechtern wählten und 
zur Schau auf dem Schild emporhoben. Um ihn, aber auch 
um andere Fürsten scharten sich ehrbegierige Jünglinge zu einer 
Gefolgschaft, Gesinde genannt, einem Bunde der Huld und 
Treue auf Leben und Tod. Wer ohite den Häuptling oder ohne 
den Schild heimkehrte, verfiel der Ehrlosigkeit; aber auch der 
Fürst ließ seine „Degen" niemals im Stich.
	        
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