Full text: Lebensbilder aus der vaterländischen Geschichte (Teil 1)

6 I. Aus der Gegenwart und der nächsten Vergangenheit. 
sammelt, in Frost und Eis erstarrten Tausende und aber Tausende; 
nur ein Zehntel kehrte zurück. Da stand das preußische Volk aus' 
sich im Bunde mit anderen die Freiheit zurückzuerobern. Anfangs 
gestattete der König seinem Sohne, um dessen Gesundheit er besorgt 
war, nicht, am Feldzuge teilzunehmen. Als dann aber durch die 
große Völkerschlacht bei Leipzig der welsche Kaiser mit seinen 
Truppen über den Rhein zurückgedrängt war, ritt auch der Prinz 
mit hinaus ins feindliche Land. In der heißen Schlacht bei 
Bar sur Aube (sprich: Bar ßür Ohb) gab ihm der König den 
Auftrag, Erkundigungen einzuziehen, von welchem Regiments die 
zahlreichen Verwundeten seien, die er in der Ferne wegtragen sah. 
Er führte diesen Auftrag mitten im Kugelregen mit solcher Un- 
erschrockenheit aus, daß ihm, als er langsam zurückkam, ein alter 
Oberst die Hand drückte. Der russische Kaiser Alexander verlieh ihm 
zur Anerkennung den St. Georgsorden, der Vater aber das Eiserne 
Kreuz. Einige Wochen später beteiligte er sich mit dem siegreichen 
Heere am Einzüge in Paris. 
Nun war die Zeit gekommen, wo er eingesegnet werden 
sollte. Dies geschah im Juni des folgenden Jahres in der Kapelle 
des Charlottenburger Schlosses. Kurz vorher schrieb er sein 
Konfirmationsgelöbnis nieder, in dem folgende Sätze enthalten 
waren: „Meine Kräfte gehören dem Vaterlande. Nie will ich 
des Guten vergessen, das mir von Menschen erwiesen worden ist. 
Ich will keinem Menschen Unrecht thnn, keinem hart sein, keinen 
kränken oder demütigen, und wo ich darin fehlen sollte, es ein- 
gestehen und auf alle Weise wieder gut zu machen suchen. Ich 
will unablässig an der Verbesserung meines Herzens und Lebens 
arbeiten und jeden Abend mich über die Anwendung des ver- 
flossenen Tages sorgfältig prüfen". Und siehe! Genau so hat er 
sein Leben lang gehandelt, und so ist er einer der besten Menschen 
gewesen, die jemals auf Erden gewandelt haben. 
3. Prinz Wilhelms Mannesjahre bis zur Übernahme der 
Herrschaft. Prinz Wilhelm war vom Scheitel bis zur Sohle 
Soldat und that vieles zur Hebung der Kriegstüchtigkeit der 
Truppen. Am 11. Juni 1829 vermählte er sich mit der anmutigen 
und geistvollen Prinzessin Angusta von Sachsen - Weimar; 
am 18. Oktober 1831 wurde ihnen ein Sohn, der spätere Kaiser
	        
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