Kampf mit den Wormsern. 109
fürchtete er das Schlimmste: so riet er, sie wollten sich verstecken und dann,
wenn Walthari weiterzöge, ihn in freiem Felde zu Zweien überfallen.
Indes brach die Nacht herein, und Walthari blieb in der Schlucht,
daß nicht König Gunther sagen möchte, er sei bei Nacht und Nebel geflohen.
Er bestattete die Leichen, nachdem er zu jedem Rumpfe wieder das Haupt
gesucht hatte, und betete für die Gefallenen. Dann sperrte er mit Dorn-
gestrüpp den Hohlweg. Nun zog der Kampfmüde endlich die Rüstung aus,
Hildegund labte ihn mit Speise und Trank, und dann schlief er, während
die Jungfrau am Feuer saß nnd sich durch Gesang den Schlaf vertrieb.
Mitten in der Nacht aber stand er auf und ließ die Geliebte schlafen; er
ging nun gewappnet auf und ab. So verfloß die Nacht. Am frühen Morgen
lnd er Waffen und Schmuck der Gefallenen, die seine rechtmäßige Beute waren,
auf vier ledige Rosse, auf ein fünftes hob er Hildegund, und er selbst schwang
sich auf ein sechstes und führte „Löwe", der wie immer den Schatz trug, am
Zügel. Doch kaum hatte der kleine Zug die Schlucht verlassen, da sah
Hildegund zwei Reiter heranbrausen. Schnell hieß Walthari sie die Rosse
und den Schatz in das Dickicht flüchten; er selbst erwartete die Angreifer.
Höhnisch forderte ihn Gunther zum Kampf; doch Walthari wandte sich
an Hagen und erinnerte ihn an ihre alte Freundschaft. Hagen erwiderte
trotzig, er sei Gunthers Mann, auch müsse er seinen jungen Neffen rächen.
Damit schleuderte er den Speer, doch der prallte von Waltharis Schilde ab.
Alle drei sprangen nun von den Rossen, und es begann ein wildes Ringen
der Zwei gegen Einen. Vom frühen Morgen bis znm Mittag wurde ge¬
kämpft, endlich schlug Walthari mit wildem Streiche dem König das rechte Bein
ab; doch gleich darauf zersprang sein gutes Schwert auf Hagens felsenhartem
Helme. Da schlug dieser dem Walthari die rechte Hand ab. Doch der gab
nicht nach, er schob auf den rechten Stumpf den Schild und zog mit der
Linken das krumme Hunnenschwert, das er an der rechten Seite trug. Damit
gab er Hagen einen furchtbaren Hieb auf die rechte Gesichtshälfte; die Stirn
zerspaltete er, das Auge sprang heraus, und sechs Backenzähne fielen in den
Sand. Nun hatten alle drei genug: sie lagerten sich auf den Waldboden,
und Hildegund kam herbei, verband ihnen geschickt die Wunden und schenkte
ihnen den letzten Hunnenwein ein, den sie mit sich führte. Nun wurden
sie ganz froh, denn Wunden sind des Kriegers Stolz. Hagen neckte den
alten Genossen, er werde nun „Walthari Linkhand" heißen. „Und du, „Hagen
Einaug"!" lachte Walthari, „und dann laß dir nur Kinderbrei kochen; was
sonst soll ein Mann ohne Zähne essen?" Sorglich trugen sie dann den
ächzenden Gunther auf sein Pferd, und Hagen brachte ihn nach Worms und
ließ ihn gesund pflegen.
E. Heimkehr. Walthari und Hildegund aber kamen mit den beute-
beladenen Rossen in die Heimat. Dort wurden sie vermählt, und nach dem
Tode der Väter regierte Walthari über beide Reiche. Hildegund aber war