Full text: Lebensbilder aus Sage und Geschichte (Vorstufe)

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Cäsar. 
setzen, mein Schicksal mußt du teilen!" Er ließ sich wie sein Bruder zum 
Tribunen wählen und schlug dasselbe Gesetz vor, um das man seinen Bruder 
erschlagen hatte; er gab auch eine Menge anderer Gesetze zum Vorteil der 
Armen, und kurze Zeit jauchzte ihm das Volk zu, und er hatte königliche 
Macht in Rom. Aber das entartete Volk kannte nicht mehr Treue und 
Dankbarkeit: viele seiner Anhänger wurden durch Geld zum Abfall gebracht, 
und dann bereitete man ihm das Schicksal seines Bruders: dreitausend fielen 
im wilden Straßenkampfe, unb endlich nahm sich Gains, von allen verlassen, 
das Leben, um nicht in bie Hänbe seiner Verfolger zu fallen. Wieberum 
warf man bie Leichen in bett Tiber; ja, man untersagte bett Frauen, um 
bie Gefallenen zu trauern. 
Die Nachricht von dem Tode ihres letzten Sohnes erreichte bie Mutter auf 
ihrem Lanbsitze. Dorthin hatte sie sich zurückgezogen, weil sie bas Unheil 
kommen sah unb nicht Hinbern konnte. Nie wieder trug bie einsame Mutter 
golbenen ober silbernen Schmuck, bie bunklen Gewänber unb die schwarze 
Stirnbinde legte sie nie wieder ab; nie kehrte sie in das entartete Rom 
zurück: in Campanien, wo ihr großer Vater fern von dem undankbaren Rom 
gestorben war, betrauerte sie drei Enkel des großen Scipio, die in den wilden 
Parteikämpfen ein frühes Enbe gefunben hatten. 
Aber sie trug ihr Los stolz unb still wie eine echte Römerin; wußte 
sie boch, baß ihre Söhne nichts gewollt hatten als bas Wohl bes Vaterlanbes, 
unb als man sie einst bedauerte, sagte sie stolz: „Niemals werde ich mich 
unglücklich nennen, die ich die Mutter der Gracchen sein durfte!" 
VIII. Läsar. 
Wilde Kämpfe ehrgeiziger Männer zerrissen nun das unglückliche Rom. 
Niemand dachte mehr — wie die edlen Gracchen — an die Not der Armen; 
jeder wollte nur selbst reich und mächtig werben, und das Volk fiel dem zu, 
der ihm am meisten Vergnügen bereitete. Da begannen auch Unordnungen 
in den Provinzen; man fürchtete und achtete die Römer nicht mehr, und das 
große Weltreich war nahe daran, ausemanberzufaöen. Es beburfte einer 
festen Hanb, bie bas entartete Volk regierte unb bie Welt beherrschte: bas 
Weltreich beburfte eines Weltherrschers. Der Mann, ber bas einsah 
und der würdig war, ber Beherrscher Roms unb der Welt zu werden, hieß 
Gaius Julius Cäsar. 
A. Vom Knaben zum Manne. Genau hundert Jahre vor Christus 
wurde Cäsar geboren. Von feinen Eltern wissen wir wenig, nichts von 
Elternhaus und Erziehung. Wilde, häßliche Kämpfe durchtobten seine Knaben-
	        
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