Full text: Lehr- und Lesebuch oder die Vaterlands- und Weltkunde

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größten Güte, als wäre die Familie eines Freundes zu ihm auf Besuch gekom¬ 
men. Darauf zog er längs der Meeresküste weiter, eroberte und zerstörte Tyrus, 
kam nach Palästina, wo ihm der Hohepriester Jaddua mit allen Bewohnern 
Jerusalems in weißen Kleidern entgegen ging und ihm die Weissagungen Daniels 
(Kap. 8 u. 11) vorlegte; dann kam er nach Ägypten und legte an der Mün¬ 
dung des Nil eine Stadt an, die er nach seinem Namen Alexandrien nannte. 
Jetzt erst wandte sich Alexander wieder nach Asien, um Darms zu verfolgen. 
Gfr traf das persische Heer zwischen den Städten Arbela und Gaugamela (in 
Assyrien). Die makedonischen Feldherren, erschrocken über die ungeheure Macht 
der Perser, ricthen am Abende vor der Schlacht Alexandern, den Feind lieber 
in der Nacht anzugreifen. Alexander überantwortete: „Nein, stehlen will ich den 
Sieg nicht!" und legte sich sorglos zur Ruhe. Am andern Morgen weckte ihn 
Parmenio und sprach: „Du schläfst ja so fest, als wenn du schon gesiegt hättest!" 
„Glaubst du denn nicht," antwortete Alexander, „daß wir schon so gut, wie gesiegt 
haben, da wir den Darius vor uns haben?" Der Kampf war sehr hitzig; die 
Perser fochten wie Verzweifelte; doch Alexanders Kriegskunst siegte. Durch die¬ 
sen Sieg wurde er Herr des großen persischen Reichs. Der unglückliche Perser- 
könig war geflohen; aber Alexander verfolgte ihn unablässig. Da kam er einst 
Lurch eine große Wüste, wo nirgend ein Tropfen Wasser war. Endlich hatte 
ein Soldat etwas aufgefunden und brachte es in seinem Helme dem Alexander. 
Als der König sah, daß seine Soldaten, eben so wie er, vor Durst lechzten, sprach 
er: „Soll ich der Einzige sein, der trinkt!" und goß das Wasser auf die Erde. 
Als die Soldaten solche Enthaltsamkeit ihres Königs sahen, riefen sie voll Ver¬ 
wunderung aus: „Auf, führe uns weiter, wir sind nicht müde, wir sind nicht 
durstig, wenn ein solcher König uns führt!" 
Der flüchtige Darius wurde endlich von seinem eigenen Statthalter Vessus 
gefangen genommen und tödtlich verwundet. Alexanders Reiter fanden den unglück¬ 
lichen König in den letzten Zügen. Er bat sie um einen Trunk Wasser, welchen 
ein Macedonier ihm reichte. Erquickt sprach der sterbende König: „Freund, das 
ist mein größtes Leiden, daß ich dir diese Wohlthat nicht vergelten kann; doch 
Alexander wird sie dir vergelten; und dem Alexander werden die Götter die Groß- 
muth vergelten, die er meiner Mutter, meiner Gattin und meinen Kindern erwiesen 
hat! Ich reiche ihm hier durch dich meine Rechte." Der Macedonier ergriff sie, 
und Darius verschied. Gleich darauf kam Alexander. Er war sehr bewegt bet 
dem Anblicke, zog sein Oberkleid aus und breitete es über den Leichnam, den er 
mit großer Pracht beisetzen ließ. 
Hierauf eroberte Alexander noch das reiche Indien. Als er aber damit noch 
nicht zufrieden war und bis an das Ende der Welt vordringen wollte, wurden 
seine Soldaten unmuthig und empörten sich. Nicht einen Schritt wollten sie weiter 
vorwärts. Alexander versuchte noch einmal, sie zu weitern Siegen zu erniuntcrn, 
aber vergeblich! Da mußte er sich zur Rückkehr entschließen. Er theilte das Heer 
in zwei Theile: die eine Hälfte machte den Weg zu Wasser unter einem geschickten 
Admiral; die andere Hälfte führte Alexander zu Lande zurück. Unter unsäglichen 
Beschwerden und Entbehrungen kam er zu Babylon an, das er zur Hauptstadt 
seines Reiches machen wollte. Allein mitten in seinen großen Plänen ereilte ihn 
der Tod. Ein hitziges Fieber, die Folge seiner Anstrengungen, aber noch mehr der 
Schwelgereien, denen er sich überließ, überfiel ihn, und bald war alle Hoffnung zur 
Genesung verschwunden. Die Feldherren standen wehmüthig um sein Lager und 
reichten ihm die Hände. Zuletzt fragten sie ihn, wen er zu seinem Nachfolger 
bestimme. Er antwortete: „Den Würdigsten." Hierauf verschied er in einem 
Alter von 33 Jahren. Sein großes Reich theilten seine Feldherren unter sich. 
6. Noms Ursprung. 
(754 v. Chr.) 
In dem schönen Lande Italien lag vor grauen Jahren eine Stadt, 
die hieß Alba longa, und ein König herrschte in derselben, mit Namen
	        
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