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zu weinen. „Thränenlos,“ sprach sie, „bleiben meine
Augen um Balders Tod; weder im Leben noch auch im
Tode kann Balder mir nützen, Hel behalte, was sie
besitzt.“ So konnte der gute Gott Balder nicht wieder
zu der Himmelsburg zurückkehren. Das böse Riesen¬
weib aber war niemand anders als der Unheilsgott
Loki, der den Göttern schon so vielen Kummer ver¬
ursacht hatte.
4. Voll Grolles über den Unhold beschlofs Wodan
ihn zu bestrafen. Loki merkte, dafs die ändern Götter
ihm Übles sannen und floh davon. Aber die Götter
folgten ihm und entdeckten ihn endlich, wie er sich in
Gestalt eines Fisches im Wasser barg. Dreimal mufsten
sie das Wasser nach seiner ganzen Breite durchfischen,
bis es ihnen endlich gelang, ihres Feindes habhaft zu
werden. Er mufste jetzt wieder seine wahre Gestalt
annehmen und wurde in eine Höhle geschleppt, wo ihm
ein jammervolles Lager bereitet wurde. Drei scharfe
Felsen waren seine Ruhestätte, der eine unter den
Schultern, der andere unter den Lenden, der dritte
unter den Kniegelenken. Über dem Haupte des Ge¬
fesselten wurde eine Natter befestigt, deren quälender
Geifer ihm in das Angesicht tropfte. Niemand nahm
sich des Verlassenen an; nur sein treues Weib Sigyn
blieb bei ihm und fing in einer Schale das träufelnde
Gift auf, dafs es des Gefesselten Antlitz nicht verletze.
Wenn aber die Schale sich gefüllt hat und Sigyn das
Gift ausleert, dann fallen die Tropfen auf Lokis Ange¬
sicht; voll unsäglicher Schmerzen windet und krümmt
er sich und rüttelt so heftig an seinen Banden, dafs
die Erde erzittert. Das nennen die Menschen dann
Erdbeben.