Full text: Deutsche Sagen und Geschichten aus dem Mittelalter (Teil 2)

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4. Auf dem Wege durch das Baiernland wurden 
sie, weil Hagen den Fährmann erschlagen, nächtlicher 
Weile von dem Herzog des Landes angegriffen; aber 
sie schlugen die Feinde und kamen über Passau, wo 
die Könige von ihrem Oheim freundlich empfangen 
wurden, in Rüdigers Land. Rüdiger selbst kam ihnen 
mit Frau und Tochter grüfsend entgegen. Er hatte 
für aller Unterkunft gesorgt und ehrte seine Gäste 
durch ein festliches Mahl, welches mit der Verlobung 
Giselhers und der Tochter Rüdigers beschlossen wurde. 
Beim Abschied tauschte man Geschenke. Gunther er¬ 
hielt von Rüdiger ein schönes Waffengewand, Gernot 
ein Schwert. Hagen erbat sich von der Markgräfin 
einen mächtigen Schild aus, den er im Waffensaale 
hangen sah; es war ein Erbstück von ihrem Vater. 
Nach drei Tagen setzten dann die Helden, begleitet 
von Rüdiger, die Reise fort; sie schickten aber Boten 
voraus, die ihre Ankunft melden sollten. Dietrich von 
Bern, der Gotenkönig, ritt ihnen eine Tagereise ent¬ 
gegen ; er kannte Kriemhildens schlimmen Zorn und 
kam, die Helden zu warnen. „Wisset ihr nicht,“ sprach 
er, „dafs Kriemhild noch immer um Siegfried, den 
Helden von Niederland, weinet?“ Doch trotzig erwi¬ 
derte Hagen: „Möge sie weinen, so lange sie will. Sie 
wird mit ihren Thränen den Helden doch nicht wieder 
erwecken. Besser thäte sie, dem Könige von Hunnen¬ 
land hold zu sein.“ Und Hagens Freund, der kühne 
Fiedler Volker von Alzei, meinte: „Jetzt ist es doch 
schon zu spät, um zurückzukehren. Und ist es unab¬ 
wendbar, was über uns beschlossen ist, so lasset uns 
ruhig in des Königs Burg einreiten; wir werden ja 
sehen, wie es uns ergehen wird.
	        
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