— 60 —
4. Auf dem Wege durch das Baiernland wurden
sie, weil Hagen den Fährmann erschlagen, nächtlicher
Weile von dem Herzog des Landes angegriffen; aber
sie schlugen die Feinde und kamen über Passau, wo
die Könige von ihrem Oheim freundlich empfangen
wurden, in Rüdigers Land. Rüdiger selbst kam ihnen
mit Frau und Tochter grüfsend entgegen. Er hatte
für aller Unterkunft gesorgt und ehrte seine Gäste
durch ein festliches Mahl, welches mit der Verlobung
Giselhers und der Tochter Rüdigers beschlossen wurde.
Beim Abschied tauschte man Geschenke. Gunther er¬
hielt von Rüdiger ein schönes Waffengewand, Gernot
ein Schwert. Hagen erbat sich von der Markgräfin
einen mächtigen Schild aus, den er im Waffensaale
hangen sah; es war ein Erbstück von ihrem Vater.
Nach drei Tagen setzten dann die Helden, begleitet
von Rüdiger, die Reise fort; sie schickten aber Boten
voraus, die ihre Ankunft melden sollten. Dietrich von
Bern, der Gotenkönig, ritt ihnen eine Tagereise ent¬
gegen ; er kannte Kriemhildens schlimmen Zorn und
kam, die Helden zu warnen. „Wisset ihr nicht,“ sprach
er, „dafs Kriemhild noch immer um Siegfried, den
Helden von Niederland, weinet?“ Doch trotzig erwi¬
derte Hagen: „Möge sie weinen, so lange sie will. Sie
wird mit ihren Thränen den Helden doch nicht wieder
erwecken. Besser thäte sie, dem Könige von Hunnen¬
land hold zu sein.“ Und Hagens Freund, der kühne
Fiedler Volker von Alzei, meinte: „Jetzt ist es doch
schon zu spät, um zurückzukehren. Und ist es unab¬
wendbar, was über uns beschlossen ist, so lasset uns
ruhig in des Königs Burg einreiten; wir werden ja
sehen, wie es uns ergehen wird.