Full text: Lebensbilder, insbesondere aus der deutschen Geschichte (Teil 2)

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Sein Gehalt war in dieser langen Zeit nur klein, und er mutzte sich 
sehr einschränken, um leben zu können. Denn sein Vater, der alles 
Vermögen verloren hatte, konnte ihm nichts geben. Moltke hat 
später selbst erzählt, daß er damals oft Mangel gelitten habe. 
Als Hauptmann machte er ein Reise nach Konstantinopel. Dort 
wurde er mit einem hohen türkischen Beamten bekannt und ließ sich 
von diesem bewegen, in die Dienste des Sultans zu treten. Das 
türkische Heer war sehr vernachlässigt, und Moltke sollte helfen, es 
von neuem einzurichten. Das tat er auch, und der Sultan schätzte den 
tüchtigen Offizier deshalb so hoch, daß er ihn einem Feldherrn zur 
Seite stellte, der in Kleinasien einen schwierigen Krieg führen mußte. 
Moltke hatte so die Gelegenheit, viele Erfahrungen und Kenntnisse 
zu sammeln. „Briefe aus der Türkei", die er in die Heimat schrieb, 
geben davon Zeugnis. Der türkische General mißachtete einmal 
Moltkes Rat in einer Schlacht und erlitt deshalb eine schwere Nieder- 
läge. 
Nach vier Jahren kehrte Moltke in das preußische Heer zurück, 
und von nun an ging es rasch mit ihm vorwärts. Er kam wegen seiner 
Tüchtigkeit in den Großen Generalstab, d. h. die oberste Heeresleitung, 
und wurde Begleiter des damaligen Prinzen Friedrich Wilhelm, 
des späteren Kaisers Friedrich. Mit ihm machte er Reisen nach Ruß- 
land, England, Frankreich und Italien. Wilhelm I. stellte den Berater 
seines Sohnes im Jahre 1857 an die Spitze des Generalstabes, und 
nun war Moltke an dem rechten Platze. 
Die wichtigste Aufgabe des Generalstabes ist es, Feldzugspläne 
für den Kriegsfall auszuarbeiten, und darin zeigte sich Moltke als 
Meister. Er bereitete die Pläne für die Kriege von 1864, 1866, 
1870/71 vor und legte dadurch den Grund zu den glänzenden Waffen- 
erfolgen dieser Jahre. Mit erstaunlicher Sicherheit und Ruhe leitete 
er die Bewegungen der Truppen und führte sie von Sieg zu Sieg. 
2. Moltkes Ruhm. Die Welt staunte, und Moltkes Name wurde 
berühmt in ganz Europa. Wilhelm I. überhäufte ihn mit Ehren und 
Würden; 1870 ernannte er ihn zum Generalfeldmarschall und machte 
ihn zum Grafen. Aber im Volke hieß der beliebte Mann immer nur 
„Moltke". Die größten Städte von Deutschland ernannten ihn zu 
ihrem Ehrenbürger, und als er aus Frankreich zurückkehrte, verlieh 
ihm der Reichstag eine Ehrengabe an Geld, wofür er sich das Gut 
Kreisau in Schlesien kaufte. 
Moltke dachte viel und sprach wenig; den „großen Schweiger" 
hat man ihn genannt. Bescheiden ging der Sieger von Königgrätz 
und Sedan allen öffentlichen Ehrenbezeugungen gern aus dem Wege; 
er habe ja nur seine Pflicht getan, meinte er. „Ich habe", war fein 
Ausspruch, „einen Widerwillen gegen Lobhudeleien. Es macht mich
	        
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