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Bis ins hohe Alter blieb Moltke an der Spitze des Heeres, und
rastlos arbeitete er auf seinem verantwortungsvollen Posten weiter.
Nur ungern genehmigte Kaiser Wilhelm II. schließlich sein Entlassungs-
gesuch. „Ich kann Ihren Rat nicht entbehren," schrieb er ihm, „solange
Sie leben!" Nach seinem Rücktritte lebte der Marschall in der Zurück-
gezogenheit meistens auf seinem schleichen Gut. Ein Feiertag
für das ganze deutsche Volk war Moltkes neunzigster Geburtstag;
festlich begingen ihn auch die Schulen.
Am 22. April 1891 schloß er sein tatenreiches Leben, und die
Nation trauerte um seinen Verlust. In einer Kapelle auf seinem
geliebten Gute Kreisau liegt der große Mann bestattet, von dem
man sagt, daß er keinen Feind gehabt habe, außer im Kriege.
35. Der Kanonenköniq Krupp.
1. Jugendzeit. Aus dem ärmlichen Häuschen, das wir im Bilde
sehen, folgte an einem Oktobertage des Jahres 1826 ein blasser,
vierzehnjähriger Knabe dem Sarge seines Vaters zum Friedhofe
von Essen an der Ruhr. Sein Name war Alfred Krupp.
Wenige Monate vorher hatte der Knabe die höhere Schule seiner
Vaterstadt verlassen müssen, um in der kleinen, verschuldeten Messer-
fabrik des kränklichen Vaters verdienen zu helfen. Denn die Not der
Familie war groß, und kaum konnte den sechs Arbeitern der Lohn
gezahlt werden.
Jetzt hatte der junge Alfred allein für Mutter und Geschwister
zu sorgen. Von früh bis spät sah man ihn vor dem Schmiedefeuer,
am Amboß, am Schraubstock, aber Sorge und Not wollten aus
dem ärmlichen Häuschen nicht weichen. „Darin habe ich", so hat
Alfred selbst im Alter geschrieben, „eine Reihe von Jahren des Elends
und des Kummers durchlebt, dort habe ich in der Dachstube Hunderte
von Nächten in Sorge und fieberhafter Angst, mit wenig Hoffnung
auf die Zukunft, durchwacht!" Zuweilen zog der junge Krupp mit
einem schweren Bündel in der Ruhrgegend von Dorf zu Dorf;
Messer, Bohrer, Zangen, Stemmeisen und dergl. bot er dann den
Bauern zum Verkaufe. Man sah es ihm an: Wohlleben und Erholung
kannte er nicht.
2. Emporkommen. Fünfzehn Jahre lang hatte Krupp gerade
nur soviel verdienen können, daß Mutter und Geschwister ein kärg-
liches Brot hatten — da glückte ihm die Erfindung einer Walze, mit
der sich feinere Löffel herstellen ließen. Das brachte Geld zur Er-
Weiterung der kleinen Fabrik. Jetzt machte er sich daran, das Ge-
heimnis seines Vaters, die Anfertigung von Gußstahl, aus-
zunutzen. Im Jahre 1847 gelang es Krupp, das erste Kanonenrohr