Full text: Griechische und römische Geschichte (Teil 3)

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Die letzten Zeiten der griechischen Freiheit. 
§ 70» Der Tod des Sükrates. Bald befleckten die Athener 
ihren Ruf durch einen argen Frevel gegen ihren Mitbürger 
S6krates. Dieser Weise, dessen Name sinnig „der Heilkräftige" 
bedeutet, war der edelste Mann in Athen. Trauernd sah er die 
schlimme Zerrüttung der Sitten. In der Verbreitung der Tugend 
erkannte er darum seine Lebensaufgabe. Der Anfang der Tugend, 
so lehrte er, sei die Selbsterkenntnis. Mit freundlichen Worten 
unterwies er die Jünglinge und regte sie zum Nachdenken an, 
damit sie in sich gingen und sich besserten. Barfuß und in abge- 
tragener Kleidung wanderte der ernste Mann rastlos lehrend und 
mahnend durch die Straßen von Athen. Viele haßten den Weisen 
wegen seines Freimutes. Sie beschuldigten ihn, er glaube nicht 
an die Götter der Vaterstadt und verderbe durch seine Lehre die 
Jugend. 
Der edle, damals siebzigjährige Greis, den das Oräfel in 
Delphi für den weisesten aller Griechen erklärt hatte, wurde nun 
vor Gericht gezogen. Die verblendeten Richter erklärten ihn für 
schuldig, und da er sich weigerte, nach griechischer Sitte um eine 
milde Strafe zu bitten, so verurteilten sie ihn zum Tode. Ins 
Gefängnis zurückgebracht, lehnte er den Rat seiner Freunde und 
Schüler, mit ihrer Hilfe zu fliehen, ab und unterhielt sich noch 
in seinen letzten Tagen heiteren Gemütes mit ihnen über die 
Unsterblichkeit der Seele. „Ach, daß du so unschuldig sterben mußt!" 
klagte einer. „Wäre es dir denn lieber," antwortete er, QQQ 
„wenn ich schuldig wäre?" Dann trank er ruhig den ihm 
von dem Gerichtsdiener dargebotenen Giftbecher und streckte sich 
aus zum Sterben. 
Die Lehre des großen Mannes ist von seinem hervorragendsten 
Schüler Plato, den man den „Göttlichen" nannte, der Nachwelt 
überliefert worden. 
§ 71. Der Zug der Zehntausend. Während Griechenlands 
Kraft daniederlag, gingen viele Griechen lieber um Geld in fremde 
Dienste, als daß sie dem eigenen Vaterlande geholfen hätten. 
Sie wurden Söldner, wie in der Neuzeit viele Schweizer. Ein 
Haufe von 13000 Mann trat in Kleinasien in das Heer des 
persischen Prinzen Cyrus des Jüngeren, der den Plan gefaßt 
hatte, seinen königlichen Bruder vom Throne zu verdrängen. Die 
Griechensöldner folgten ihm tausend Stunden weit, bis an den^ 
Euphrat. Bei dem Dorfe Kunä-xa, unweit der Trümmer von 
Babylon, kam es an einem Septembertage 401 zur Schlacht. Mit 
dem brausenden Rufe: „Alalä!" „Alalä", der dem Hurra unserer
	        
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