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Sagen des klassischen Altertums.
Vorübergehenden von einem Felsen ins Meer schleuderte, warf er selbst
hinab; einen schrecklichen Stier, der Menschen und Vieh angriff, fing er
sogar lebendig und brachte ihn gefesselt zur Stadt. So war der Königs-
söhn bald bei allen Leuten in Athen sehr beliebt.
Doch noch ein großes Unglück gab es, das die Athener alle Aeben
Jahre ertragen mußten. Der grimmige König M i n o s von Kreta hatte
sie einst im Kriege besiegt und gezwungen, ihm alle sieben Jahre sieben
edle Jünglinge und sieben schöne Jungfrauen auszuliefern. Diese Unglück-
lichen warf er einem schrecklichen Ungeheuer, dem Minotaurus, zum
Fräße vor. Freiwillig beschloß Theseus trotz der Bitte seineTälten Vaters,
selbst mit nach Kreta zu gehen, um das Ungeheuer zu töten und die
Jünglinge und Jungfrauen zu befreien. Als er von seinem trauernden
Vater Abschied nahm und das schwarz angestrichene und mit schwarzen Segeln
ausgerüstete Schiff bestieg, versprach er dem Greise, bei glücklicher Heim-
kehr weiße Segel aufzuziehen als Zeichen, daß alle gerettet seien.
Als sie in Kreta angelangt waren, sah Theseus bald, wie schwierig
es war, das böse Tier zu töten. Denn das Ungeheuer befand sich in
einem großen Hause, aus dessen Zimmern und Gängen, selbst wenn er
den Minotaurus getötet hätte, sie sich nicht herausgefunden hätten. So
geschickt hatte der berühmte Baumeister Dädalus es erbaut. Aber Theseus
verzagte nicht. Er gewann die Liebe der Tochter des Minos, der schönen
A r i ab ne, welche ihm Hilfe versprach. Sie schenkte ihm einen Knäuel
Garn, dessen Ende er an der Eingangstür festband, während er allmählich
das Garn aufwickelte. So kam er mit seinen Begleitern und Begleiterinnen
zum Mittelpunkt des Hauses, wo das schreckliche Ungeheuer sie erwartete.
Tapfer griff es der Jüngling an und tötete es nach einem furchtbaren
Kampfe. Mit Hilfe des Fadens kamen sie auch glücklich heraus und
wurden von der ängstlich wartenden Ariadne jubelnd begrüßt. In einem
fröhlichen Tanze freuten sich alle der Rettung. Doch sie mußten fürchten,
von dem wilden Könige Minos gefangen zu werden, und so beschloß
Theseus, heimlich zu entfliehen. Die treue Ariadne, welche ihm so liebe-
voll geholfen hatte, nahm er aber mit sich. Mit ihr lebte er einige Zeit
glücklich auf der Insel Naxos, doch mußte er sie dort auf den Befehl
eines Gottes zurücklassen.
Theseus segelte allein weiter, voll froher Hoffnung, die liebe Heimat
und den alten Vater wiederzusehen. Nur die Trauer um die zurück-
gelassene Ariadne störte die Freude des Wiedersehens, und in Gedanken
an die Verlorene vergaß Theseus das Versprechen, das er einst beim
Abschied seinem Vater gegeben hatte; er wechselte nicht die schwarzen