Full text: Für die Klassen 7 und 6 (Teil 1)

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Deutsche Sagen. 
So wußte Parzival erst recht nicht, was er von der Burg und ihren Be- 
wohnern halten sollte. Er ritt traurig weiter und traf bald nachher am 
Wege sitzend ein klagendes Mädchen. Von ihr ersuhr er, was er versäumt 
hatte. Die Burg war die Gralsburg, der kranke König hieß Ansortas; 
dieser hatte mit seinen Rittern den heiligen Gral zu bewachen. Da er 
aber gegen die Gralsgesetze verstoßen hatte, mußte er an einer schweren 
Wunde leiden und warten, bis er durch die Frage eines Jünglings nach den 
Wundern des Grals erlöst wurde. Diese Frage hatte Parzival versäumt 
und sich so sein Heil, Gralsritter zu werden, verscherzt. Als dann auch die 
Fluchbotin des Grals, K u n d r i e, am Hofe des Königs Artus den Fluch 
über ihn aussprach und er ausgestoßen wurde, ergriff Parzival Erbitterung 
und wilde Verzweiflung. 
Fünf Jahre streifte er in der Welt umher, manches Land durchstrich er 
zu Roß und zu Schiffe; jeden, mit dem er kämpfte, warf er zu Boden. 
Aber keine Ruhe fand er in seinem Herzen, die Gralsburg war ihm ver- 
schlössen, er hatte sie noch nicht wiedergesehen. Ja er kümmerte sich nicht 
um Gott und zweifelte an dem Höchsten. So traf er an einem Karfreitag, 
an welchem er zum Hohn gegen alles Ritterrecht in voller Wehr und 
Waffen umherzog, einen frommen Pilger, der ihn auf den rechten Weg 
wies. Durch ihn wurde Parzival ermahnt, sich an einen heiligen Mann, 
einen Klausner, der in der Nähe wohne, zu wenden. Parzival tat es und 
wurde durch diesen von seinen Seelenzweifeln befreit. Er glaubte wieder 
an Gottes Gnade und Barmherzigkeit, er bereute sein gottloses Leben und 
hoffte auf Verzeihung. So gelang es ihm, die Gralsburg zu finden. 
Wieder wurde er aufgenommen wie das erste Mal. Er sah alle Herrlich- 
ketten, aber diesmal tat er die erlösende Frage nach den Wundern des 
Grals. Der alte König Anfortas, fein Oheim, der Bruder seiner 
Mutter, wurde von seiner Wunde geheilt und bestimmte Parzival zu seinem 
Nachfolger. Parzival fand auch endlich seine treue Gattin Kondwiramur 
wieder, die ihm zwei Söhne, Lohengrin und K a r d e i s, geboren 
hatte. So hatte sich Parzival aus der Torheit seiner Jugend durch bittere 
Verzweiflung zur höchsten Seligkeit durchgerungen. Der Dichter endet mit 
den Worten: 
„Wes Leben so sich endet, 
Daß er Gott nicht entwendet 
Die Seele durch des Leibes Schuld, 
Und er daneben doch die Huld 
Der Welt mit Ehren sich erhält, 
Der hat sein Leben wohl bestellt."
	        
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