Full text: Vorschule der Geschichte

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den Schatz, als ich, und nimmer sollst du Teufelsweib erfahren, 
wo er geborgen liegt." Da erwiderte Kriemhilde: „So will ich 
wenigstens das Schwert behalten, welches mein trauter Gemahl, an 
dem mir so viel Herzensjammer geschah, trug, als ich ihn zuletzt 
erblickte." Sie riß es ihm aus der Scheide, schwang es mit beiden 
Händen und schlug ihm das Haupt ab. 
Als das Etzel sah, klagte er über den tapfern Helden, der von 
eines Weibes Hand den Tod erleiden mußte; Hildebrand aber 
sagte: „Das soll ihr nicht ungestraft bleiben, was ich auch dafür 
erleiden möge. Obgleich er mich selbst in große Not brachte, so soll 
sein Tod doch nicht ungerochen bleiben." Damit sprang er auf 
Kriemhild zu und tötete sie mit einem gewaltigen Schwerthiebe. 
So lagen nun alle erschlagen, nur Dietrich und Etzel lebten 
noch und klagten über den Tod so vieler Freunde und Unterthanen; 
viele Menschen hatten Jammer und Not. Mit solchem Leide endete 
die Lustbarkeit des Königs. 
Die Sage von der $ttbntn. Kagen. An der Nordsee herrschte 
ein reicher König, der hatte einen einzigen Sohn mit Namen Hagen, 
welcher die ganze Freude seiner Eltern war. Als der Knabe sieben 
Jahr alt geworden, ließ der König ihn durch Ritter erziehen, damit 
er in den Waffen und allen ritterlichen Künsten, die den Körper 
stark und den Geist mutig machen, geübt werde. Nun geschah es 
einst, daß der König ein großes Fest gab, zu dem wohl an achtzig¬ 
lausend Ritter herbeikamen. Da ging es herrlich zu und in Freu¬ 
den. Köstliche Speisen wurden aufgetragen, und golden funkelte der 
Wein in den Bechern. Die Männer führten vor den Frauen ritter¬ 
liche Spiele aus und wurden von diesen wegen ihrer Kraft und 
Geschicklichkeit gepriesen. In großer Freude dauerte das Fest zehn 
Tage; Posaunen und Trommeln, Flöten und Harfenspiel erfreuten 
das Ohr der Gäste. Auch ein fahrender Sänger war gekommen, 
der so herrlich sang, daß sich alles um ihn drängte, um seine Lieder 
zu hören. Da kam auch die Wärterin mit dem jungen Hagen her¬ 
bei. Aber sie unb die Männer, denen die Erziehung desselben 
vertraut war, achteten nur auf ben Sänger unb vergaßen des 
Knaben. Da geschah ein großes Unglück, bas ber böse Teufel selbst 
geschickt hatte. In ben Lüsten zeigte sich ein wilber Greif, ber tvflr 
so groß, daß er wie eine Wolke die Sonne verdunkelte, und so stark, 
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